Verkehr schafft schlechte Laune
Carl-Josef Kutzbach
Mittwoch, 12. Juni 2019
 
Am Schlossplatz wird gebaut. Wegen eines Baggers kann der Bus 44 die Haltestelle nicht anfahren und die Passagiere müssen ein Stück zu Fuß gehen. Allerdings parkt auf dem Gehweg an der Haltestelle auch noch ein weißer Skoda.
An der Haltestelle Marienstraße parkt ein GLS Lieferwagen halb auf dem Gehweg und halb auf der Bushaltestelle. Der Bus muss mitten auf der Fahrbahn halten und die Leute von hohen Bord der Bushaltestelle herab auf die Straße und zum Bus laufen, oder umgekehrt. (Siehe Foto oben)
An der Haltestelle Schwabstraße in Gegenrichtung blockiert anfangs ein großer Lastwagen und ein kleineres Fahrzeug beim Altglasbehälter die Haltestelle, so dass der Bus wieder auf der Straße anhalten muss, sie also blockiert.
An der Haltestelle der Leonhardskirche gibt es ein unglückliches Zusammentreffen von Kanalreinigung, die die Haltestelle verkürzt, auf der zudem ein Taxifahrer einen Fahrgast ein- oder ausstiegen lässt. Wieder muss der Bus auf der Fahrbahn anhalten. Wieder müssen die Fahrgäste laufen und die Autofahrer warten.
Nächster Tag 12.6.2019:
 Auf dem Gehweg der Lautenschlagerstraße fährt ein UPS Lasten-Dreirad aus der Thouretstraße vors Bülow-Carre, was Fußgänger irritiert, bzw. zum ausweichen zwingt. Dabei wäre die Straße frei und sogar eine Abstellmöglichkeit vor dem Haus, wo er nun aber sein Dreirad auf dem Gehweg parkt.
Jenseits der Kronenstraße parken auf der Seite des Steigenberger regelmäßig Fahrzeuge der DB (manchmal mit Erlaubnis) auf dem breiten Gehweg. Ausgerechnet die Bahn, die durch den Bahnhofsumbau (S21) viele Parkplätze vernichtet hat! Das führt zur Nachahmung durch andere Verkehrsteilnehmer, so dass man sich beim Lokal Maukenescht zwischen Auto, Fahrrädern und Terrassenabgrenzung hindurch schlängeln muss. Vergnügt bummeln, schlendern, flanieren sieht anders aus. So ist der Fußgänger verärgert.
Am Bahnhof ist die Einfahrt in die Lautenschlagerstraße für Autos und Motorräder gesperrt. Ein offenbar ortskundiger Pkw (er fährt nachher über die Kreuzung weiter Richtung Metropol) will sich wohl den Stau der Linksabbieger in der Friedrichstraße ersparen und daher dort einbiegen, quittiert den Hinweis auf das Schild mit einer Geste und fährt dann dennoch verbotswidrig in de Straße ein, nachdem er den Fußgänger über den Zebrastreifen gelassen hat.
Am Hauptbahnhof vor dem Hindenburgbau parken seit Wochen fast täglich Fahrzeuge einer Reinigungsfirma auf dem Gehweg, so dass Busfahrgäste um sie herum gehen müssen.
All diesen Fällen ist gemeinsam, dass einzelne Verkehrsteilnehmer ihren Vorteil zu Lasten Anderer erzielen. Zugleich behindern oder belästigen sie Andere, was sich auf deren Laune auswirken dürfte, egal ob Busfahrer, Fahrgäste oder hinter dem Bus zum Warten gezwungene Autofahrer. Auch die Zeugen der jeweiligen Szene dürften kaum bessere Laune bekommen.
Was steckt dahinter? Nahezu alle Verkehrsmittel sind an ihre Grenzen gekommen. Bahn und Flieger sind nur noch in vier von fünf Fällen pünktlich, Autofahrer stehen ständig im Stau, oder können nur noch langsamer fahren, der öffentliche Nahverkehr lässt sich nur noch durch gesonderte Gleise oder Busspuren halbwegs pünktlich gestalten, Fußgänger werden auf den Gehwegen von Radlern und manchmal auch von Autos bedrängt. Kinder können nicht mehr gefahrlos auf dem Gehweg spielen, Roller fahren oder zur Schule gehen. Vor allem in der Nähe von Schulen ud Kindergärten sind andere Eltern, die mit dem „Taxi Mama“ ihre Kleinen am liebsten bis in Klassenzimmer brächten, damit ihnen nichts geschieht, die größte Gefahr für andere Kinder. Auch hier wollen die Eltern mit ihren Autos einen Vorteil für ihre eigenen Kinder erzielen, auch, wenn es zu Lasten anderer Kinder und Erwachsener geht und obendrein die Unfallgefahren für die eigenen Kinder im Auto höher sind, als wenn diese zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln kämen (mehrere Studien, darunter die der Münchner Rück).
War anfangs der Verkehr ein Mittel, dass dem Einzelnen neue Möglichkeiten und Freiheiten versprach, so hat er sich heute zu einem Moloch gewandelt, der die Lebensqualität und die Stimmung der Menschen senkt, weil man seine Nutzung übertrieben hat. Wer nun allerdings vorschlägt weniger private Verkehrsmittel zu benutzen und weniger Fahrten zum Vergnügen zu unternehmen, damit alle etwas davon haben und der Verkehr wieder besser fließt, der wird sofort angegriffen, ohne eigenes Auto ginge es nicht. Dabei wird völlig vergessen, dass das bis vor ca. 50-60 Jahren sehr wohl funktionierte, es also durchaus auch wieder gelingen könnte, wenn man die entsprechende Maßnahmen träfe:
  1. 1.Alles was man für den Alltag braucht, wird im Viertel von Läden angeboten, so dass man zu Fuß einkaufen kann.
  2. 2.Private Verkehrsmittel müssen die tatsächlichen Kosten bezahlen, statt, wie bei Dienstwägen noch privilegiert zu werden.
  3. 3.Jeder Autobesitzer muss mindestens einen Parkplatz bezahlen (ca. 10 000 € / Jahr).
  4. 4.Innenstädte können (wie schon im alten Rom) für Fahrzeuge gesperrt werden, sei es, weil die Luft zu schlecht ist, sei es, weil alle Parkplätze belegt sind, sei es weil der Verkehre zu viel Lärm macht (Motorradfahrer, Poser & Co.), oder zu viel Platz beansprucht.
  5. 5.Der öffentliche Nahverkehr wird so ausgebaut, dass man auch auf dem Land weitgehend vom Auto unabhängig wird, z.B. durch Nachbarn, Ruftaxis, Rufbusse, oder ähnliche Maßnahmen.
Da die Fehlentwicklung zu viel zu viel Verkehr ungefähr 50 Jahre dauerte, wird man das nicht viel schneller hin bekommen, es besteht also genügend Zeit um Industrien oder Firmen, die man nicht mehr braucht umzuwandeln, oder Dienste und Läden wieder in den Viertel zu eröffnen. Die immer wieder an die Wand gemalte Drohkulisse „Arbeitsplatzverluste in der Autoindustrie“ ist ein Popanz, wenn man die Umstellung in vernünftigem Tempo durchführt.
 
Das ist der fünfte Teil der Serie:
Verödung der Innenstädte
vorige Teile:
Zum Einkaufen in die Stadt? Verödung der Städte 4 12.4.2019
Schaufenstersterben - Verödung der Städte III
Unfreundliche Neubauten - Verödung der Städte II
 
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