Was haben Elbphilharmonie, Berliner Flughafen und Stuttgarts Tiefbahnhof (S21) gemeinsam? Sie werden viel teuerer, als ursprünglich geplant. Das geschieht auch bei weniger bekannten Bauprojekten, weil in Deutschland derjenige den Zuschlag von der Öffentlichen Hand bekommt, der den niedrigsten Preis fordert. Also wird ein Preis genannt, der nicht kostendeckend ist und der Gewinn später dadurch erzielt, dass man Nachforderungen stellt. In der Schweiz bekommt der Billigste keinen Auftrag, sondern der Zweitbilligste. Damit sinkt der Anreiz unrealistische Angebote zu machen.
Da diese unrealistischen Preisangebote in Deutschland in der Baubranche die Regel sind, werden immer wieder Bauten begonnen, von denen man bei realistischer Kalkulation Abstand nehmen würde. Stuttgart 21 ist dafür ein gutes Beispiel:
  1. Zunächst sollte die Verlegung des Hauptbahnhofes unter die Erde mit den Grundstückserlösen für die frei werdenden oberirdischen Flächen bezahlt werden. Das war – so gab die Bahn später zu – ein Lockvogelangebot für die Politik und unrealistisch.
  2. Dann war plötzlich von 2, später 3 Milliarden Euro die Rede und als Ludewig Bahnchef wurde, legte er das Projekt wegen Unwirtschaftlichkeit auf Eis, bis es von der Politik wiederbelebt wurde, wobei die Grenze der Wirtschaftlichkeit nun bei 4,5 Milliarden liegen sollte. Heute gibt die Bahn selbst Kosten von über 6 Milliarden an und der Rechnungshof befürchtet knapp 10 Milliarden.
  3. Über die laufenden Kosten für Unterhalt und Betrieb der über 60 km Tunnelstrecken ist bis heute (23 Jahre nach der Projektvorstellung) nichts bekannt.
  4. Und bei allen vorliegenden Berechnungen der Kosten fehlt ein Posten, nämlich, was die Bahnbenutzer und die Stuttgarter während der Bauzeit an Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen, z.B. weitere Wege zu den Bahnsteigen, Umwege, Baustellen, die Zerstörung des beliebten mittleren Schlossgartens, des Denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes und jahrelangen Wahrzeichen Stuttgarts, die Verlegung von Stadtbahnlinien samt Verlust von Zeit und die Belastung mit Lärm und Dreck.
Es ist hier also von einem Staatsunternehmen (Deutsche Bahn) mehrfach der Bürger belogen worden. Dass Politiker da fleißig mitmachten , obwohl sie ja noch weniger wussten, als die Bahn, wundert wenig (Ex-OB Schuster versprach, dass die Stuttgarter vom Bau kaum etwas merken würden, da der ja unterirdisch stattfände. Heute müssen Manche ins Hotel ziehen, weil der Lärm zuhause den Schlaf verhindert). Dass Parlamentarier zustimmten, ohne vorher das gesamte Projekt bis ins Detail gekannt und durchdacht zu haben, verstößt eigentlich gegen die Regel, dass der Parlamentarier nur seinem Gewissen folgen soll. Aber dazu muss er eben auch die nötigen Kenntnisse haben, um das Für und Wider abwägen zu können. Ob das bei derartig großen Projekten möglich ist, darf bezweifelt werden.
Was allerdings noch schlimmer ist, als das Vergeuden von Steuergeldern, ist der Vertrauensverlust der Bürger in Wirtschaft und Politik, den solche Trickser und Falschspieler erzeugen, denn der fördert die Unsicherheit und damit die Sehnsucht nach einem starken Mann. Der Bürger hat ja mittlerweile den Eindruck, dass er niemandem mehr trauen darf:
  1. 1.„Pünktlich, wie die Bahn” sagte man früher. Heute gilt bei der Bahn ein Zug noch als pünktlich, wenn er fünf Minuten Verspätung hat und dennoch kommt fast jeder vierte Zug zu spät an. Solche „Wortkosmetik” ist heute weit verbreitet, aber dennoch verlogen.
  2. 2.Mit der Bahnreform vor rund 20 Jahren sollte die Bahn ihre Schulden los und obendrein als private Firma wirtschaftlicher werden und Gewinne an den Bund als Eigentümer auszahlen. Das geschah, indem man an der Substanz, an der Instandhaltung und Pflege sparte, was zu den Verspätungen, aber auch zum heruntergekommenen Erscheinungsbild der Bahn und vieler Ortszentren bei trug, in denen der alte Bahnhof verkommt, weil er einem Investor übergeben wurde, dessen Pleite den Verkauf, aber auch die Pflege behinderte. Die Bahn drückt sich also vor der Pflege ihres Besitzes, was im Gegensatz zu § 14 GG. steht. Trotzdem hat sie jetzt wieder fast genau so viel Schulden, wie vor der Bahnreform, nur nicht mehr in DM, sondern €!
  3. 3.Der ADAC belog Jahre lang seine Mitglieder und die Mitbürger, indem er Umfragen zu Autos fälschte. Ein Mitarbeiter wurde zum Schuldigen auserkoren. Aber man hätte ja auch in der Poststelle stutzig werden können, wenn dort statt Tausenden nur Hunderte von Stimmzetteln ankamen. Offenbar wollte man es auch gar nicht so genau wissen.
  4. 4.Die Automobilindustrie hat offenbar flächendeckend die Verbrauchs- und Abgaswerte fast aller Fahrzeugtypen, nicht nur beim Diesel, durch Tricks beeinflusst (Auto leichter machen, indem man Sitze raus nimmt; den Windwiderstand senken, indem man alle Hindernisse entfernt oder Ritzen mit Folie zuklebt, die Elektronik so gestalten, das sie auf dem Prüfstand den Motor anders regelt). Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob das ein Ausnutzen von Schlupflöchern im Gesetz war, oder illegal, denn es widersprach dem Ziel des Gesetzgebers dem Verbraucher verlässliche und vergleichbare Angaben zu liefern, damit der seine Kaufentscheidung dementsprechend fällen könnte. Wer seine Kunden und Mitbürger mit einem solchen Aufwand betrügt, dem darf man wohl eine erhebliche kriminelle Energie unterstellen, was vor Gericht das Strafmaß beeinflusst. Doch das müsste auch die Ministerien treffen, die nicht gründlich genug kontrolliert haben, obwohl es bereits 2004 Hinweise auf Betrug gab.
  5. 5.Es gibt in vielen größeren Einrichtungen, egal, ob Wirtschaft oder öffentliche Hand, etwa bei Krankenhäusern, Leute, die nur dazu da sind Schlupflöcher zu finden, wie man entweder unangenehme Auflagen (Umweltschutz beim Auto, siehe 4.) vermeiden kann, oder für welche Leistungen man noch ein Honorar verlangen kann, oder wie man (siehe Baubranche) durch Nachforderungen doch noch Gewinne erzielt. Es werden also Leute dafür bezahlt, dass man dem Kunden oder Kranken Geld aus der Tasche zieht und dazu bei Bedarf die Gesetze und Vorschriften so weit wie möglich dehnt.
  6. 6.Ähnlich ist es bei Fluglinien, bei denen zwar der Flugpreis sehr günstig erscheint, aber für Gepäck und Service Extrakosten anfallen, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Auch hier wird der Kunde, wenn er nicht sehr genau aufpasst, herein gelegt.
  7. 7.Etwas anders liegt der Fall in der Medizin. Kenner gehen davon aus, dass 80 % der Diagnosen im Gespräch zwischen Arzt und Patient geklärt werden könnten und nur bei 20% eine Abklärung mit Hilfe eines Labors oder weiterer Untersuchungen nötig ist. Es wird jedoch sehr viel mehr untersucht und das hat folgende Gründe:
  8. 7.1.    Der Arzt will sich durch Laborwerte und Untersuchungsberichte absichern, damit man ihm aus seiner Behandlung keinen Strick drehen kann. Es geht also um die juristische Absicherung des Arztes und nicht um das Wohl des Patienten, aber die Kasse, der Patient soll das bezahlen.
  9. 7.2.    Der Arzt hat Geräte angeschafft und deren Benutzung erlernt. Nun will er sie auch einsetzen, nicht nur, um nicht aus der Übung zu kommen, sondern auch, weil sie sich damit bezahlt machen. Außerdem imponiert es dem Patienten, wenn sein Arzt dies oder jenes kann.
  10. 7.3.    Das Gespräch zwischen Arzt und Patient wird schlecht bezahlt, also fällt es so kurz aus, wie möglich. Verdienen kann man daher eher indem man zusätzliche Maßnahmen durchführt.
Diese sieben Beispiele mögen genügen, denn sie zeigen, dass heute in vielen Fällen das Geld, der Gewinn im Mittelpunkt aller Bemühungen steht und nicht mehr das Wohl der Bürger, Kunden und Patienten. Das merken die natürlich trotzdem und sind unsicher, wem sie noch vertrauen können. Normaler Weise sollten das die gewählten Volksvertreter und die Politik sein, aber da die teils absichtlich (Klientelpolitik, schlampige Gesetze und Verordnungen, die zu Missbrauch einladen), teils unabsichtlich (ihnen sind die Folgen nicht klar) mitwirken, fühlt sich der Bürger im Stich gelassen. Wenn dann noch berechtigte Einwände mit Worthülsen (Sachzwang, alternativlos) abgebürstet werden, fühlt er sich auch nicht mehr ernst genommen. Das ist dann der Moment, wo er entweder nicht mehr zur Wahl geht, oder extremistische Parteien und Demagogen wählt.
Was dabei heraus kommen kann, sieht man in den USA, wo ein Milliardär den kleinen Leuten versprach, er werde sich um ihre Belange kümmern, sich aber vor allem als verlogen und unberechenbar für Freund und Feind erweist und damit den Weltfrieden und den Wohlstand gefährdet, an dem man besser erst einmal alle Menschen teilhaben lassen sollte, um den Frieden dauerhaft zu sichern.
 
Das Bild zeigt die häufigste Form von Unredlichkeit: Das Werben mit Nachlässen, bis zu 70 %. Das bedeutet aber nur, dass mindestens eins der angebotenen Stücke so reduziert wurde, der Rest kann durchaus kaum billiger sein als zuvor. Das Ganze ist ein Lockvogel für Leute, die sich mit Prozentrechnen und Recht nicht besonders gut auskennen.
Trickser und Falschspieler...
...fördern rechte Stimmungen
Carl-Josef Kutzbach
Freitag, 10. März 2017 vom 4.3.2017