Was tun gegen rechte Strömungen?
 
Wieso haben wir weltweit eine Zunahme rechter Bewegungen? Wer zu rechtem Gedankengut neigt, hat oft Sehnsucht nach:
  1. 1.Ordnung, auf die man sich verlassen kann.
  2. 2.Regeln, die für alle gelten, also Gerechtigkeit.
  3. 3.Einer Elternfigur (starker Mann), die für Einhaltung und Verbindlichkeit von Ordnung und Regeln sorgt.
Dahinter stehen meist Gefühle. „Gefühle“ meint hier, dass was uns antreibt, unser Selbstbild,  Einstellungen und Lebensentwürfe und ist nicht wertend gemeint:
zu 1. „Ich kenne mich nicht mehr aus; verstehe die Welt nicht (mehr?).“
zu 2. „Ich fühle mich benachteiligt, über's Ohr gehauen, im Stich gelassen, geringschätzig behandelt.“
zu 3. „ Ich fühle mich ohnmächtig. Ich suche Schutz; ich traue mir nicht selbst zu, meine Interessen zu vertreten.“
Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Motiven der Menschen.
  1.   Es gibt die, die tatsächlich benachteiligt sind oder werden, z. B. durch Krankheit, durch Behinderung, durch Mangel an Gesundheit und Kraft.
  2.   Dann gibt es die, die aus fragwürdigen Gründen benachteiligt werden, wie Geschlecht, Religion, Herkunft, Hautfarbe oder anderen willkürlichen Einordnungen, die den Gleichberechtigungsgrundsatz missachten.
  3.   Schließlich gibt es noch jene, die meinen, es stünde ihnen alles zu, was die Werbung oder Medien als „normal“ anpreisen, egal, ob Sie eine entsprechende Gegenleistung erbringen, oder nicht. Ob dahinter Naivität steckt, oder Egoismus, oder eine (vielleicht sogar krankhafte) Verkennung der Wirklichkeit, spielt zunächst mal keine Rolle.
Meist dürfte es sich um eine Mischung von zwei oder drei der skizzierten Strömungen handeln.
Das Grundgesetz hat zum Ziel, die tatsächliche Benachteiligung zu verhindern. Die subjektive Benachteiligung „der Nachbar fährt einen großen Wagen, also will ich auch einen“, ist nicht gemeint.
Wenn man ein Abdriften der öffentlichen Meinung nach rechts verhindern will, dann wären drei Maßnahmen hilfreich:
1.    Das Einhalten von Ordnungen. Es geht dabei vor allem um Verlässlichkeit und Vertrauen.  Wer – wie die Autobranche ihre Kunden bei den Abgasen – betrügt, schadet nicht nur der Umwelt, den Kunden und dem Geschäftserfolg, sondern er schadet auch der Wirtschaft insgesamt und vor allem dem Gemeinwesen, weil er Unsicherheit weckt und Vertrauen zerstört. Das gilt aber auch für die Politik und die Medien, die bereits viel früher Bescheid wussten, es aber nicht sagten.                                                     Wer Gesetze beschließt, die keine Wirkung entfalten, weil sie nicht kontrolliert werden, wer also eigentlich nur so tut, als ob er ein Problem löse, der handelt ebenso schädlich (z. B. Mindestlohn, z. B. Abgaswerte).                                   Das bedeutet aber auch, dass Einzelne und Firmen nicht die Ordnung dadurch zerstören dürfen, dass sie Schlupflöcher oder Grauzonen zu ihren Gunsten nutzen (Steuerflucht), da das der Absicht der Regelung, der Gesetze und Vorschriften nicht entspricht.
2.    Allgemein gültige Regeln schaffen Sicherheit und Vertrauen. Aber wie bei einem guten Spiel müssen Sie so sparsam, wie nötig sein, damit man sie behalten kann (Zehn Gebote) und sie sollten einleuchtend sein, damit man bereit ist sich daran zu halten. Dass man sich daran hält, geschieht nicht so nur, weil das eben die Regel ist, sondern, weil man sich als Mitmensch erweisen will, als politisch verantwortlich denkender Mensch, der sich nicht für etwas Besseres hält.  Eine derartige um Gerechtigkeit bemühte Einstellung trüge erheblich zum Gemeinwohl bei.                                                  Wer dagegen meint Verkehrsregeln, Umgangsformen, Gesetze und Vorschriften nach eigenem Gutdünken missachten zu können, zeigt, dass er die verbindende und beruhigende Kraft von Regeln nicht versteht. In der Natur folgt fast alles Regeln, die wir teilweise als Naturgesetze von Biologie, Chemie und Physik erkennen. Wer Regeln (so sie nötig und sinnvoll sind*) einhält, tut das nicht nur der Regeln wegen, sondern für die Gemeinschaft, die ein gewisses Maß an Regeln braucht.                     
3.    Ideal wäre, wenn alle so aufwüchsen und erzogen würden, dass sie ab einem gewissen Alter nicht mehr nach Eltern rufen, sondern selbst für ihre eigenen Interessen einstehen könnten. Auch wenn das wohl nicht bei allen gelingen würde, wäre „Erwachsen werden“ es ein gutes Erziehungsziel. Wenn dann noch jeder Mensch beachtet und anständig behandelt würde, wäre viel gewonnen. Das bedeutet aber wieder, dass nicht nur die Politik für den nötigen Rahmen sorgen müsste, sondern auch jede/r Einzelne seinen Beitrag leisten könnte und müsste: Kein Vordrängeln an der Kasse, an der Ampel, beim Einsteigen in Bus und Bahn, kein Belegen von Sitzen und Liegen am Strand oder im Schwimmbad, keine Schlacht am kalten Buffet. Im Alltag trägt fast jede/r absichtlich oder unabsichtlich zur miesen Stimmung, zum Kampf Aller gegen Alle bei. Da könnte jede/r sofort anfangen etwas zu verbessern. Damit wäre ein Anfang gemacht, um aus der Rolle des „hilflosen Opfers“ in die Rolle eines Menschen zu wechseln, der zur Verbesserung beiträgt. Das bedeutet selbst ein Mensch zu werden, der Verantwortung für sich selbst, sein Leben und die Mitmenschen übernimmt, also erwachsen wird.
Die geistige Auseinandersetzung mit rechten Vorstellungen ist sicher auch nötig. Aber wirkungsvoller wäre, die Voraussetzungen für das Entstehen rechter Strömungen zu beseitigen, zumal sie nicht mit den Grundwerten „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ und dem menschlichen Bedürfnis nach Achtung und Gerechtigkeit zusammenpassen.
*   Ob und wann Regeln gelten sollen, sollte eigentlich eine gemeinsame Verabredung sein. Dass es Konflikte geben kann, zeigt das klassische Drama der Antigone, die sich zwischen göttlichem und weltlichem Recht entscheiden muss. Auch beim Recht gibt es das Problem der „konkurrierenden Rechte“ bei denen die Handelnden in einen Zwiespalt kommen können. Doch diesen (tragischen) Zwiespalt kann der Raser auf der Straße nicht für sich beanspruchen, genauso wenig, wie der Steuerhinterzieher und andere Betrüger.
 
Bild: Ein Markierung auf dem Asphalt vor einer Baumaßnahme.
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 6. August 2016