Hochhäuser
Asoziale Angeberei
 
Hochhäuser sind nichts Neues, wie die Geschichte vom Turmbau zu Babel berichtet. In Deutschland sind meines Wissens die Geschlechtertürme in Regensburg die ersten Hochbauten nach italienischem Vorbild gewesen. An ihnen lässt sich bereits ein grundlegendes Merkmal erkennen, nämlich, dass man auf beschränkter Grundfläche in die Höhe baute. Man muss dabei bedenken, dass die befestigte Stadt enorme Kosten durch die Stadtmauern und Gräben hatte, die auf die Einwohner umgelegt werden mussten.
Daher wurden innerhalb der Stadtmauer die Häuser sehr eng neben einander gebaut, was bei Bränden verheerende Folgen hatte. Da eine Erweiterung der Stadt und ihrer Befestigungsanlagen sehr teuer war, versuchte man so lange wie möglich mit dem Platz innerhalb der Stadtmauern auszukommen. Das endete erst, als die Kraft der Kanonen ausreichte die Stadtbefestigungen zu zerstören, so dass man Mauern und Gräben aufgab und auf den frei werdenden Flächen Prachtstraßen anlegte. Daher ist verständlich, dass man innerhalb der Stadtmauern in die Höhe baute, wenn man zusätzlichen Platz haben wollte.
Hinzu kam aber auch, dass die damals die Geschicke der Stadt bestimmenden Männer eitel und machtbewusst waren. Deshalb bemühte man sich die Mitbewerber mit einem noch schöneren und noch höheren Haus zu deklassieren: Ätsch, meines ist das Höchste!“ Das war in Regensburg oder Italien so und ist es heute noch, wie viele Hochhausbauten weltweit zeigen. Der erste Wolkenkratzer in Amerika war m.W. Das Kellogs-Hochhaus, das lange kaum zu vermieten war. Auch da ging es um Prestige und Werbung für die Firma.
Hochhäuser sind unsozial
Selbstverständlich ist es für den Bauherren erfreulich, dass er mit einem Hochhaus auf kleiner Grundfläche sehr viel Büro- oder Wohnraum schaffen und verkaufen kann. Der dumme dabei ist die Gemeinde, die die Zufahrtsstraßen breit genug bauen muss, die für Busse oder Bahnen sorgen muss, die die vielen Nutzer des Gebäudes an- und ab-transportieren, die drum herum Flächen für die Feuerwehr frei halten muss und natürlich die Nachbarn und Fußgänger, die das Hochhaus mehr oder minder lange beschattet. Schon in der Charta von Athen forderten in den 1930er Jahren Architekten für jeden Bürger und sein Heim „Licht, Luft und Sonne!“
Hinzu kommt noch, dass die höheren Kosten für das Hochhaus, die natürlich die Nutzer bezahlen müssen, von denen gern an diejenigen weiter gereicht werden, die sie mit irgend welchen Arbeiten oder Dienstleistungen beauftragen. Solche Gebäude tragen also zur Teuerung von Waren und Dienstleistungen bei, vor allem, wenn die Chefetage meint dort residieren zu müssen.
Diese Problematik, dass Hochhäuser zwar dem Investor Gewinne bringen, aber den Gemeinden Nachteile, wurde schon vor vielen Jahren am Institut für Leichte Flächentragwerke bei einer Tagung mit Frei Otto aufgezeigt. Wenn trotzdem munter Hochhäuser gebaut werden, dann wohl aus Gründen der Gewinnmaximierung bei einzelnen, oder aber Profilneurosen „Meines ist das Höchste!“.
Sparen Hochhäuser Fläche, wie im Mittelalter?
Bei jener Tagung vor vielen Jahren wurde auch das Argument geprüft, ob Hochhäuser die Zersiedelung der Landschaft, das Ausfransen der Städte ins grüne Umland bremsen, oder verhindern. Es stimmt nicht, eben weil die Gemeinde so viel Fläche aufbringen muss, um das Hochhaus an den Öffentlichen Nahverkehr, die Straßen und U- oder S-Bahn anzuschließen, für Zufahrten und Fußwege, die die vielen Menschen gleichzeitig aufnehmen können sollten.
Die höheren Kosten des Hochhauses verursachen zudem die Notwendigkeit in seinem Umfeld mehr Verdienstmöglichkeiten zu schaffen, also Industriegebiete, oder andere Arbeitsplätze. Nur ein Teil, nämlich die hoch bezahlten, dürften im Hochhaus selbst Platz finden. Für die Putzkolonnnen, Pizzaboten und andere Geringverdiener sind die Räume unerschwinglich. Sie werden durch Hochhäuser und deren Preise vermehrt in billigere Quartiere verdrängt. Die soziale Mischung der Stadt verändert sich. Es können Elendsviertel entstehen, wenn sich die Wohlhabenden in Hochhäusern, oder im Speckgürtel um die Städte ansiedeln.
Vergleicht man die Geschlechtertürme von Regensburg mit heutigen Hochhäusern, dann erscheinen sie als recht bescheidene, etwas hoch geratene Bauten. Natürlich haben sie keine Aufzüge, höchstens das früher weit verbreitete Rad an einem Balken am Giebel, über das man mit einem Seil Gegenstände empor ziehen konnte. Der bekannte Goldene Turm war immerhin mit neun Stockwerken 50 Meter hoch.
So hoch stieg aber wohl niemand aus der reichen Patrizierfamilie, sondern nur der Türmer, der dort oben Wache hielt, wie auf vielen alten Türmen, um etwa bei Feuer oder feindlichen Angriffen rechtzeitig zu warnen. Wer selbst ausprobieren möchte, wie viele Stockwerke man ohne allzu sehr außer Atem zu kommen schafft, der kann das z.B. In Stuttgarts Stadtbibliothek (wegen des Aussehens auch als Stammheim II oder Bücherknast verspottet). Bis auf das Dach sind es neun Stockwerke, die man dort steigen kann, ja manchmal muss, denn die schwäbische Sparsamkeit (man sparte sich einen der drei geplanten Aufzüge), führte prompt zu Warteschlangen vor den Aufzügen.
Man muss gar nicht besonders alt oder unsportlich sein, um nach vier bis fünf Stockwerken zu pausieren. Deshalb sind auch die Altstädte voller Gebäude, die selten mehr als fünf Stockwerke haben. Und wenn, dann waren dort droben die Dachkammern für die Bediensteten. Heute müssen in solchen Gebäuden bei größeren Umbauten meist nachträglich Aufzüge eingebaut werden, weil man sie dadurch Behinderten-gerecht machen möchte, aber auch, weil es Älteren schwer fällt mit ihren Einkäufen in die oberen Stockwerke zu steigen.
Hochhäuser sind Energiefresser
Hochhäuser, wie sie heute gebaut werden, erfordern also ständig Energie, um Menschen aufwärts oder abwärts zu transportieren, während Gebäude, die sich an den Möglichkeiten der meisten Menschen orientieren zu Fuß bestiegen werden können.
Hinzu kommt, dass ab einer gewissen Höhe der Wasserdruck der städtischen Leitungen nicht mehr genügt, dass man klimatisieren muss weil sich die Fenster nicht öffnen lassen, oder wenn man mit so starken Böen rechnen muss, dass unerwünschte Nebenwirkungen (vom Umkippen der Blumenvase auf dem Tisch bis hin zu Zerstörungen von Vorhängen und Einrichtung) zu erwarten wären.
Hochhäuser können zur Falle werden
Dass Hochhäuser bei einem Brand zur tödlichen Falle werden können wurde erst in einem Roman und später durch die mutwillige Zerstörung der Doppeltürme des Welthandelszentrums in New York durch Terroristen deutlich. Hochhäuser zwingen die Gemeinden dazu ihre Feuerwehren auf derartige Katastrophen vorzubereiten und auszurüsten. Und dennoch leiden unter den Spätfolgen von 9/11 auch Menschen, die damals als Feuerwerhrleute zu helfen versuchten, weil die Belastung mit giftigen Stoffen und Staub doch sehr hoch war.
Wer sich die alten Berliner Mietskasernen anschaut, von denen Zille meinte, man könne einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen, wie mit einer Axt, wird feststellen, dass die bis zu fünf Hinterhöfe alle etwa gleich groß sind, weil nämlich in ihnen ein Sprungtuch aufgespannt werden musste. Und gleich hoch sind die Häuser auch (Berliner Traufhöhe), weil man nämlich Menschen nur bis zu einer gewissen Höhe mit dem Sprungtuch retten kann.
Hochhäuser werden auch deshalb im Betrieb immer teuerer, je höher sie sind, weil immer mehr Brandschutz-Einrichtungen, wie etwa Sprinkler, oder Rauchmelder eingebaut werden müssen.
Aber selbst, wenn es nicht brennt, sondern nur er Strom ausfällt, wird es relativ bald ungemütlich. Zunächst dürfte ein Notstromaggregat die akute Gefahr lindern. Fällt aber der Strom länger aus, dann möchte man nicht plötzlich erkranken, oder auch nur Hunger haben, denn es ist fraglich, ob Sanitäter, Notarzt, oder Lieferanten bereit und fähig sind in den 18. Stock zu klettern und notfalls den Erkrankten auf einer Trage zum Krankenwagen zu befördern.
Sollte es jedoch mal eine längere Energiekrise geben, die dazu führt, dass Hochhäuser unbewohnbar werden, dann steht zu befürchten, dass deren dann mangelhafte Pflege auch zu Gefahren für die Nachbarn und den Verkehr führen und die Stadt letzten Endes auf den Kosten für den Abbruch sitzen bliebt. Schon heute gibt es große Investitionsruinen, wie etwa das IBM-Gelände in Stuttgart Vaihingen, das seit Jahren vergammelt, weil die Investoren, die alles von IBM kauften, offenbar nicht in der Lage waren das Gelände zu vermarkten.
IBM ist fein raus und die Stuttgarter leiden nur deshalb nicht sehr unter der Geschichte, weil sich IBM einst in einem Wald ansiedelte, in dem man eigentlich gar nicht hätte bauen dürfen. Aber die Aussicht auf Steuereinnahmen sorgte dann doch für eine Genehmigung (Ähnliches geschah an der Landhauskreuzung bei Daimler und dem Pressehaus). Nun verbirgt der Wald gnädig das vor sich hin gammelnde Gelände. Da es niedrige Bauten sind, würde sogar deren Einsturz kaum Probleme machen. Aber wenn Hochhäuser an belebten Straßenkreuzungen stehen und nicht gewartet werden, weil der Investor Pleite ist, dann kann es für die Gemeinde riskant werden. Im schlimmsten Fall wird man Straßen und Gehwege sperren müssen (was aber auch bei niedrigeren Gebäuden passieren kann).
Eigentlich müsste man bei Hochhäusern - ähnlich wie bei Atom-Kraftwerken - fordern, dass der Bauherr auch für die Beseitigung des Gebäudes Rücklagen bilden muss. Ob dann noch so viele Hochhäuser gebaut würden?
Die Frankfurter Silhouette mit den Bankenhochhäusern von der Dachterrasse eines Kaufhauses aus gesehen.
 
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 1. August 2016