Die Süddeutsche Zeitung fordert seit Kurzem die Besucher ihrer Internetseiten auf, den Addblocker auszuschalten, ein Programm das unerwünschte Werbung ausblendet (so ähnlich, wie das Schild am Briefkasten „Bitte keine Werbung!”). Tut man es nicht, bekommt man die gewünschte Seite nicht zu sehen.
Wer dagegen die gedruckte Ausgabe der SZ liest, darf (noch?) über die enthaltene Werbung hinweg sehen. Hier wird also ein Unterschied gemacht zwischen dem Kunden, der für die Zeitung bezahlt und dem Nutzer, der die Seiten im Internet besucht. Dabei dürfte die Übermittlung der Inhalte via Internet für die SZ günstiger sein, als der Transport der gedruckten Zeitung zum Leser irgend wo in Deutschland.
Was die SZ da macht ist am Briefkasten problematisch. Wer dort - trotz eines Werbeverbotes - Werbung einwirft, muss mit einer Abmahnung rechnen. Und ob das Verhalten der SZ mit dem Recht auf „informationelle Selbstbestimmung” (ich darf und kann über meine eigenen Daten verfügen) zusammen passt, scheint mir ebenfalls fraglich.
Hintergrund ist, dass alle Medien aus Sorge etwas zu verpassen ihre Produkte im Internet kostenlos anboten und anbieten. Aber kaum jemand machte sich Gedanken, wie dieser zusätzliche Vertriebsweg zu finanzieren sei. Man hoffte, dass die Werbung, die man in der gedruckten Auflage verlor, weil sie ins Internet abwanderte, dort wieder dem eigenen Medium zugute kommen würde.
Weiter Beispiele:
Besonders nett ist auch der Spiegel, bei dem einen trotz Addblocker diese Werbung gezeigt wird:
Ob die Firma, die diese Werbung schaltet, bedacht hat, dass jemand, den man ärgert, wohl kaum zum Kunden werden wird?
Auch der Spiegel muss ich fragen lassen, ob er sich noch als seriöse Quelle von Fakten für mündige Bürger und die Demokratie versteht, oder in erster Linie als Mittel um unter allen Umständen Geld zu verdienen?
Und wenn man dann noch den Benutzer im Text der Werbung verspottet, dürfte auch das die Wirkung der Werbung nicht unbedingt erhöhen.
Aber vielleicht hatten die Werber einfach selbst zu viel vom Produkt zu sich genommen und dadurch den klaren Blick auf die Zusammenhänge verloren?
Auch die Postbank lässt ihren Kunden keine Wahl:
Wer sein Konto aufruft, erhält dieses Popup-Fenster eingeblendet (auch wenn man Popups ausgeschaltet hat), das sich vor die eigentlich aufgerufene Seite schiebt, so dass man diese nicht nutzen kann.
Dieses Fenster lässt sich aber nicht schließen. Man hat nur die Wahl zuzustimmen, oder „Später erinnern” anzuklicken, was bedeutet, dass bei jedem zukünftigen Aufrufen des eigenen Kontos das Spiel von Neuem los geht.
Dass die Postbank auf den teureren Versand von Mitteilungen per Brief verzichten will, kann man verstehen. Dass sie dafür auch Umweltschutzgründe ins Feld führt, ist zumindest fragwürdig, da auch die elektronische Zustellung Energie verbraucht und sich vorsichtige Kunden vielleicht das einen oder andere Dokument ausdrucken werden, damit sie etwas in der Hand haben, falls ihr Rechner versagt (Stromausfall, Anbieterausfall, Festplattenausfall). Es werden also Kosten zum Kunden verlagert. Das Niederträchtige am Vorgehen der Postbank ist, dass Sie den Kunden durch diese Popup-Fenster dazu zwingen will seine Einwilligung zu geben und das auch noch als Service verkauft. Sie kann in Zukunft behaupten: „Sie haben es ja selbst so gewählt!”
Kürzlich beim Facharzt legt die Dame am Empfang das Formular zur Unterschrift vor, in dem man z.B. der PVS (Privatärztlichen Verrechnungsstelle) gestattet die Abrechnung für den Arzt zu erledigen. Die Ärzte wollen dadurch von Bürokratie entlastet werden, um sich ihrer eigentlichen Aufgabe mehr widmen zu können. Kein grundsätzlich schlechter Gedanke.
Schaut man allerdings auf die Homepage, dann wird deutlich, dass die PVS von Ärzten für Ärzte (ca. 25 000 Mitglieder) betrieben wird. „Im Fokus steht eine nachvollziehbare, transparente Abrechnung privatärztlicher Leistungen für niedergelassene Ärzte und im Krankenhaus.” Und es wird dafür geworben: „Abrechnungsmanagement ist Liquiditätsmanagement”.
Auch das kann man verstehen, dass Ärzte nicht hinter ihren Honoraren her laufen wollen, da sie ja oft erhebliche Kredite aufgenommen haben, um ihre Praxis einzurichten.
Grundsätzlich wäre gegen diese Arbeitsteilung nichts einzuwenden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
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1. Die Daten werden vertraulich behandelt.
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2. Die Daten werden sicher übermittelt.
Selbstverständlich sind die Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber die Daten von Tausenden von Patienten wären natürlich auch für die Forschung interessant. Man könnte sie anonymisiert weiter geben. Aber noch nützlicher wären sie, wenn man sie Patienten zuordnen kann, weil man dann auch auf Zusammenhänge zwischen verschiedenen Krankheiten stoßen könnte. Auch das ließe sich anonym machen, indem jeder Patient durch eine willkürlich gewählte Bezeichnung, (Nummer oder Name) repräsentiert würde. Dabei müsste man darauf achten, dass man diese nicht mit dem wirklichen Menschen verknüpfen kann. Das aber stößt bei seltenen Erkrankungen rasch an Grenzen. Kurzum die Nutzung solcher Patientendaten ist eigentlich für die Forschung und damit für die Gesellschaft lohnend, aber bei der Wahrung der Anonymität gibt es Probleme.
Die Patientendaten sind aber auch für Versicherungen interessant, weil sie mit ihrer Hilfe besser abschätzen könnten, bei wie vielen Kunden die Lebensversicherung einmal fällig werden wird.
Könnten die ärztlichen Abrechnungsstellen, hier die PVS, solche Daten in anonymisierter Form verkaufen, wäre damit sicherlich Geld zu verdienen.
Das bedeutet aber, dass diese Daten auch für Kriminelle interessant sein könnten. Und je lohnender sie sind, desto mehr Aufwand „lohnt sich” für Kriminelle.
Das bedeutet aber, dass Daten, die über das Internet übermittelt werden (auch verschlüsselt) ein Ziel von Datendieben sein können. Da aber mittlerweile sogar das Handy der Bundeskanzlerin, aber auch die Bankenabrechnungsstelle SWIFT gehackt (also von Leuten besucht und durchstöbert wurden, die dazu nicht berechtigt waren), gilt, was der verstorbene britische IT-Kenner Paul Liller einmal ungefähr so formulierte: „Wer ins Internet geht, wird früher oder später zum Opfer eines Angriffs, sei es, dass Daten gestohlen werden, jemand die Identität missbraucht, oder die Person ausspioniert wird.”
Laut einem Kollegen, der sich mit Datenschutz beschäftigt, bekommt man im Netz bereits bei etwa 1000 Firmen Personenprofile, die ohne Wissen der Personen erstellt werden. Das Profil eines Journalisten kostet ab 2500.- € aufwärts.
Es ist also ein einträgliches Geschäft mit Daten möglich, auch, wenn der Einzelne eigentlich darüber bestimmen können sollte, was mit seinen Daten geschieht.
Wenn man das weiß, dann wäre es einem lieber, der Arzt schickt die Daten nicht vom Praxissystem über das Internet zur Abrechnungsstelle. Wenn man das jedoch fordert und um eine Rechnung der Praxis bittet, sagen die Sprechstundenhilfen meist: „Bitte besprechen Sie das mit dem Doktor.”
Zufällig bekam ich mit, wie der Facharzt zu Sprechstundenhilfe auf meine Bitte hin sagte: „Das fangen wir gar nicht erst an!” Mit mir darüber zu sprechen hielt er wohl nicht für nötig, denn die arme Sprechstundenhilfe kam dann zu mir mit der Botschaft, dass ohne Unterschrift die Untersuchung nicht stattfinden könne. Darauf hin verließ ich die Praxis, denn ein Arzt, der nicht bereit ist sich die Argumente des Patienten anzuhören und sie zumindest zu erwägen, könnte ja auch sonst nur am Honorar interessiert sein und nicht am Wohl des Patienten. Ob ein Arzt überhaupt eine Untersuchung ablehnen darf, weiß ich nicht. Da die Untersuchung ein dreistelliges Honorar zur Folge gehabt hätte, hat er sich auch selbst geschadet.
Grundsätzlich bleibt die Frage, ob der bürokratische Aufwand bei der Abrechnung überhaupt nötig ist. Warum muss man die Abrechnung so kompliziert machen, dass weder die Patienten, noch die Ärzte, mit vernünftigem Aufwand Honorare überprüfen, bzw. abrechnen können. Eine derartig detaillierte Abrechnung ist Ausdruck eines gestörten Vertrauensverhältnisses und des Versuches durch immer kleinlichere Regelungen Geld zu sparen. Aber das ist ein anders Thema.
Als Patient frage ich mich, ob ich wirklich alles unterschreiben kann und soll, was mir beim Arzt vor gelegt wird, oder ob der mich nicht in jedem Fall behandeln müsste, wenn ich mit Name und Adresse bekannt bin, so dass man ein Honorar notfalls einklagen könnte? Darf der Arzt seinen wirtschaftlichen Vorteil durch Auslagerung der Honorarabrechnung höher bewerten, als meine Interessen (dem Schutz meiner Daten)? Und darf er mich praktisch zur Unterschrift zu zwingen versuchen? Termine beim Facharzt bekommt man ja oft erst nach Monaten.
Beim Buchungsportal einer Fähre konnte man die Fahrt im Internet nur buchen, wenn man eine Mobilfunknummer eingab. Was hat den der Kauf einer Fahrkarte mit dem Besitz eines Mobiltelefons zu tun? Freilich haben heute die meisten Leute eines, aber dessen Nummer müsste man eigentlich nur freiwillig angeben können, falls man nämlich über mögliche Verspätungen informiert werden will.
Software und Dienstleistungen im Internet kann man heute fast nur noch nutzen, wenn man brav anklickt die Geschäftsbedingungen gelesen zu haben. Wenn man dagegen im Alltag, in der realen Welt, einen Gegenstand kauft, dann gibt es dazu vielleicht eine Gebrauchsanweisung und einen Garantieschein, aber man muss nicht unterschreiben, dass man den Hammer, das Stemmeisen nicht für Einbrüche missbraucht. Und wer das vorhat, würde das natürlich unterschreiben, damit der Verdacht nicht gleich auf ihn fällt. Das Ganze ist also nicht wirklich hilfreich und soll nur die Firmen vor Schadensersatz-Forderungen schützen.
Für den Kunden bedeutet das Kleingedruckte oft eine Verschlechterung, denn wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Regeln eingehalten werden, braucht man das ja nicht noch einmal zusätzlich aufzuschreiben, sondern nur, wenn der Anbieter etwas zu Lasten des Kunden regeln möchte, oder dem Kunden besondere Rechte einräumt, was wohl eher selten geschieht.
Weil das so ist, beugen sich die meisten diesem Diktat der Anbieter und klicken brav an, dass sie das Kleingedruckte gelesen hätten (ob sie es verstehen fragt wohlweislich niemand) und die Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen haben. Die meisten wissen aber nicht, was sie da unterschrieben haben und welche rechtlichen Folgen das haben kann. So gibt es m.W. einen internationalen E-mail-Anbieter, der sich vom Kunden das Recht einräumen lässt sämtliche E-mails zu analysieren (also zu lesen und auszuwerten), um so dem Kunden weitere maßgeschneiderte Angebote machen zu können. Das ist das Ende der Privatsphäre und der Selbstbestimmung.
Was mich an all dem stört ist, dass mir Entscheidungen aufgezwungen werden, meine Freiheit zu Wählen eingeschränkt wird und ich zu vielen Dingen nur dann Zugang bekomme, wenn ich bereit bin mich den Spielregeln des Anbieters zu unterwerfen, egal, ob die mit geltendem Recht vereinbar sind, oder nicht. Da wird meine Freiheit von Fremden eingeschränkt und ich von Diensten abgeschnitten, die für mein Leben wesentlich sein können:
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•ärztliche Behandlung,
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•Benutzung von Software,
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•Vertraulichkeit des Wortes,
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•Informationen in Medien, deren eigentliche Aufgabe ja der demokratische Gedankenaustausch und die Lieferung des dafür nötigen Wissens ist.