„Gebt mir eine Handvoll Narren; wir sehn ja wohin uns die Vernünftigen gebracht haben!” Von Oskar Wilde soll dieser Ausspruch stammen. An ihn wurde ich bei einem Gespräch mit einem reichen Mann erinnert, der sich - seiner Meinung nach - sehr für eine Verbesserung der Welt engagiert. In der Wirtschaft, dozierte er, muss man in ein paar Minuten sagen, was man will, mehr Zeit habe man bei einem Meeting nicht.
Das erklärt nicht nur den weit verbreiteten Gebrauch von scheinbar Bedeutungs-schwangeren Schlagworten (deren Sinn jeder nach Belieben anders deutet), sondern auch, weshalb die Wirtschaft komplexere Zusammenhänge (z.B. Umweltschutz, Nebenwirkungen, Ausbeutung Ärmerer und Schwächerer) wenig beachtet. Da müsste man nämlich vielleicht mehr als nur ein paar Minuten drüber sprechen und nachdenken.
Dass der Ansatz allein schon fragwürdig ist, merkt man in der Wirtschaft offenbar schon gar nicht mehr, denn wieso sollten sich Schwierigkeiten und Zusammenhänge danach richten, wie viel Zeit sich irgend jemand dafür nehmen mag? Anders herum würde vielleicht etwas Gescheiteres heraus kommen, wenn man jeder Fragestellung die nötige Aufmerksamkeit und Zeit widmet.
Das erklärt auch, weshalb man seine Argumente so gerne mit Zahlen, Grafiken und hübschen Bildchen „unterfüttert” (wobei „Power Point” manchmal zum „Power Nap” verhilft). Zahlen scheinen verlässlich und objektiv zu sein, auch, wenn man bei ein wenig Nachdenken erkennen könnte, dass sie nur so verlässlich sind, ja sein können, wie diejenigen, die sie erhoben haben, oder wie seriös die Studie war, aus der sie stammen. In der Regel werden wohl die Zahlen gewählt, die zur eigenen Ansicht und zur eigenen Absicht passen. Das ist typisch menschlich, aber wenig hilfreich. 
Solange man aber in diesen Mustern verharrt und denkt, schließt das eine Menge möglicher Lösungen von vorne herein aus. Warum ist das Denken der Wirtschaftsgläubigen gefährlich?
Es ist ein mechanistisches Denken, das voraus setzt, dass B die logische Folge von A ist, man also alle Folgen einer Handlung vorhersehen könne. In der Psychologie würde man wohl von Allmachts-Phantasien sprechen. Am Liebsten sind dabei Beziehungen zwischen nur zwei Punkten, etwa, wie bei einer Wippe, bei der eine Seite hoch geht, wenn man die andere nieder drückt. Etwa so: Wenn ich weltweit einen Mindestlohn einführe, dann besiege ich die Armut. Die Wirtschaft werde dabei mitmachen, weil die weltweite Einführung ja die Gewinnchancen weltweit im gleichen Maße belaste. Warum sollte sie? Das würde doch zu Lasten ihrer Gewinnspannen gehen, wenn sie plötzlich den Armen etwas mehr zahlen müssten. Und wer hindert sie daran, das heute schon zu tun? Angeblich die Konkurrenz. Man versteckt sich also hinter anderen Firmen, die genau so unmenschlich die Gewinnmaximierung zu Lasten der Schwachen betreiben. Da beißt sich natürlich die Katze in den Schwanz (Karussel, bei dem man immer im Kreis fährt, aber nie vom Fleck kommt), wenn man sich selbst genau so verhält, wie man es bei Anderen kritisiert, und deren Handeln dann als Ausrede benutzt, um sich selbst nicht anders, gar anständig verhalten zu müssen.
Ein beliebter Satz ist auch: „Wenn wir das (z.B. Waffen oder andere schädliche Dinge) nicht machen, macht es ein Anderer.” Damit kann man sich selbst von jeder ethischen oder moralischen Verpflichtung frei sprechen, und der Wettbewerb sorgt dafür, dass die Werte immer weiter absinken, bis man im kriminellen Milieu angekommen ist, wie die Autobauer mit ihren Abgas- und Verbrauchs-Angaben, die nicht nur falsch sind, sondern die Gesundheit von Millionen Menschen beeinträchtigen. Sie haben nicht nur ihre Kunden betrogen, sondern auch deren und anderer Menschen Gesundheit geschädigt.
In der Physik ist längst klar, dass es viele Dinge gibt, die sich nicht eindeutig berechnen lassen. Wenn man ein Pendel hat, an dessen Ende ein weiteres Pendel hängt, und daran ein Drittes, dann lassen sich die Bewegungen, die das Ende des dritten Pendels vollführt, nicht mehr berechnen. Kurz: Schon bei einem System mit nur drei Teilen treten Zustände auf, die man nicht berechnen kann. Ähnlich ist es bei Seilen, die sich weitgehend der Berechnung im Computer entziehen, weil jede einzelne Faser dermaßen viele Bewegungen, Dehnungen, Drehungen und Stauchungen durchmacht, dass das bisher Rechner überfordert. Und das Seil ist eines der ältesten Bauteile der menschlichen Geschichte.
Auch in der Biologie gibt es Fälle, bei denen ganze Ökosysteme nur durch einen kleinen Eingriff total verändert wurden. Bekanntestes Beispiel ist Australien, wo 1859 nur 24 Kaninchen frei gelassen wurden. Sechs Jahre später waren es ungefähr 20 000. 1891 hatten sie den ganze Kontinent erobert. Später waren es 300 Millionen und damit eine Plage. Damit sollten zunächst importierte Füchse und dann Hunde aufräumen, die ihrerseits verwildert zur Plage wurden. Dann versuchte man es mit Krankheitserregern, die tatsächlich Linderung brachten, aber den Staat Unsummen kosteten. Die Schäden durch Kaninchen kosten Australien jährlich viele hundert Millionen. Dabei wollte der Farmer, der die Kaninchen frei ließ, angeblich nur das in seiner Heimat übliche Vergnügen der Jagd auf Karnickel haben. Ein teurer Spaß! Genau wie in Deutschland die Einfuhr der Bisamratte 1905 aus Amerika oder des Waschbären 1934. Bis 1960 vermehrten die Waschbären sich auf etwa 1000 Tiere in Hessen, 1980 waren es schon 120 000!
Da man offenbar nicht alles berechnen kann und das eigene Tun unerwartete Wirkungen entfalten könnte, die man selbst nicht vorher sieht, vielleicht auch nicht vorher sehen kann, ist der Glaube man könne alles mit Zahlen erfassen und gestalten ziemlich naiv. Dabei gibt es Firmenlenker, die allen Ernstes behaupten, sie leiteten das Unternehmen nur nach Zahlen.
Auch in Baden-Württemberg wurden für teures Geld „Neue Steuerungsinstrumente” eingeführt, die der Rechnungshof später als teuren, nahezu wertlosen Spaß kritisierte. Aber in vielen Firmen und Behörden läuft ähnliche Software heute noch. Jeder Mitarbeiter soll darin eintragen, was er wann gemacht hat und wie lange er dafür brauchte. Der grundlegende Denkfehler besteht darin, dass man voraus setzt, dass das jeder ehrlich und gewissenhaft täte. Es wird aber kein Raucher seine Zigarettenpausen eintragen, geschweige denn in voller Länge, denn dann stünde er gegenüber dem nicht rauchenden Kollegen dumm da und müsste befürchten bei der nächsten Entlassungswelle raus geworfen zu werden.  Also haben die meisten Mitarbeiter Listen mit Tätigkeiten und dafür akzeptierten Zeiträumen, die sie aus dieser Liste in die Kontroll-Software kopieren, um den Anschein zu erwecken, dass sie stets zu 100% am Arbeitsplatz Leistung erbrächten. Mit diesen fiktiven Zahlen leitet dann so ein Tor das Unternehmen und wundert sich, wenn - trotz der schönen Zahlen - etwas schief geht.
Das Beispiel zeigt zudem, dass der Glaube an Zahlen Unsinn ist, denn man weiß, dass einem gute Ideen vor allem dann einfallen, wenn man nicht krampfhaft nach ihnen sucht, sondern sich entspannt. Als man in einem großen amerikanischen Unternehmen für  verdiente Mitarbeiter ein Haus einrichtete, in dem sie über einen längeren Zeitraum ohne irgend welche Vorgaben und Zeitdruck forschen durften, wozu sie Lust hatten, da machte sich dieses Haus innerhalb weniger Jahre durch Erfindungen der „Spinner” bezahlt. 
Es könnte also sein, dass Mitarbeiter, die Pausen machen, mehr leisten, als jene, die stur am Arbeitsplatz alles erledigen, was auf ihren Tisch oder Bildschirm kommt. In der Regel leisten auch Teilzeitkräfte mehr, als Vollzeitkräfte, wenn man die Leistung je Stunde betrachtet. Und die Verkürzung der Arbeitswoche bei einem britischen Autohersteller um 20 (oder waren es sogar 40 %(?), also Drei- oder Viertagewoche) senkte die Produktivität nur um 5%. Wieder so ein unerwartetes Ergebnis, das sich aus den Zahlen allein nicht vorhersehen ließ.
Wirtschaft blendet häufig auch die Vielfalt der Welt aus. Große Saatguthersteller, wie Monsanto, versuchen mit möglichst wenig Sorten auf der ganzen Welt Geld zu verdienen. Es haben sich aber in den letzten Jahrtausenden überall auf der Welt Sortengemische entwickelt, die an die jeweiligen Standorte angepasst waren und auf Grund ihrer Vielfalt weniger empfindlich gegen Wind, Wetter und Schädlinge waren. Diese durch Einheitssorten zu ersetzen, die obendrein noch unerwartete Nebenwirkungen haben und die Bauern von Dünger und vom Hersteller und seinen Spritzmitteln abhängig machen, ist ein Unsinn, wie er nur Leuten einfallen kann, die in Zahlen denken. Natürlich verdient man mehr, wenn man mit einer einzigen Sorte den ganzen Weltmarkt beliefert, als wenn es Hunderte von Sorten sind. Aber auf wessen Kosten? Sortengemische, die lokal angepasst sind, bringen weniger Ertrag als hybride Hochertrags-Sorten, aber man kann und darf jedes Jahr einen Teil der Ernte im nächsten Jahr als Saatgut ausbringen. Bei modernen Sorten muss man jedes Jahr neu für das Saatgut bezahlen. Je mehr Sorten angebaut werden, desto größer ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass Wetter und Schädlinge keine große Katastrophe auslösen können, wie einst die Kartoffelpest in Irrland. Als Faustregel mag gelten: Vielfalt ist besser als Einfalt!
Das widerspricht den Interessen der Wirtschaft und ihren Denkmustern, die auf Macht und Gewinn fixiert sind. Und zwar Gewinn für sich (Gehalt und Boni) und die eigene Firma. Sie müsste eigentlich dem Wohl aller Menschen dienen, also Vielfalt fördern, statt vernichten. 
Je ärmer der Kunde, desto weniger merkt er, wie auch bei der Kleidung das Angebot verringert wird auf jene Kleidungsstücke, mit denen man in kurzer Zeit viel Geld machen kann, also billige Fähnchen, die aber eben auch schon bald kaputt sind, was niemand stört, denn sie haben ja nicht viel gekostet und sind längst aus der Mode. Wer dagegen Qualität sucht, etwa einen weichen warmen Mantel aus einem dicht gewebten schweren Wollstoff, der wird selbst beim Schneider Mühe haben den gewünschten Stoff und die gewünschte Qualität zu bekommen, einfach, weil derartige rare Wünsche keine großen Serien und damit große Gewinne versprechen. Dass ein Mensch Kleidung oder Schuhe guter Qualität sehr viele Jahre lang tragen und dann vielleicht noch vererben kann, haben die meisten Mitbürger nicht mehr erlebt. So wissen sie auch nicht, dass eine derartige Qualität, trotz höherer Anschaffungskosten, langfristig billiger ist, als alle naslang irgend ein Billigtextil zu kaufen. 
Eine Wirtschaft, die dem Mitmenschen dienen wollte, würde aber gerade solche Werte schaffen, die lange halten und lange Zeit dem Benutzer einen guten Dienst erweisen, statt wie heute die Haltbarkeit immer weiter herunter zu fahren, bis der Gesetzgeber Garantiefristen vorgeben musste, oder immer aufwändigere Dokumentationen fordert, um im Falle eines Falles die Haftung klären zu können. Kluge Kaufleute waren schon immer kulant, und Robert Bosch meinte es sei besser Geld zu verlieren, als einen guten Ruf.
Das Ziel schnell viel Geld zu machen um durch Wachstum zu mehr Macht und damit zu noch mehr Geld zu kommen, belastet nicht nur die Umwelt durch das Tempo (Energieeinsatz) und den Ressourcen-Verbrauch (mehr Rohstoffe werden in kürzerer Zeit zu Müll), sondern auch das Verhältnis zum betrogenen Verbraucher, den man mit aufwändiger Werbung dann zum Kauf des nächsten minderwertigen Gutes verführen will, dessen Werbung er natürlich ebenfalls bezahlen muss. 2015 waren das in Deutschland bei 82 Mio. Einwohnern rund 30 Milliarden Euro, oder jeden Tag einen Euro für jeden vom Baby bis zum Greis, ohne, dass man sich dagegen wehren könnte. Würde der Staat eine Steuer von 365 € im Jahr erheben, dürfte er einen Proteststurm auslösen. Bei der Werbung merkt man es als Laie nicht.
Es sind diese Denkmuster der Wirtschaft, die unser Zusammenleben und Wohlergehen behindern und schädigen. Deshalb taugen Konzepte, die aus diesem Denken entstehen, meistens wenig. 
Geld etwa taugt als Maßstab nicht, weil es keine stabile Größe ist, keinen festen Wert vertritt, sondern – wie die Spekulationen der Banken gezeigt haben – in seinem Wert beeinflusst werden kann. Geld ist ein Hilfsmittel für den Austausch von Waren. Aber solange die Wirtschaft ihm einen eigenen Wert beimisst, kann das nur in die Irre führen.
Was alle Menschen weltweit anstreben ist, dass sie mit ihren Familien einen anständigen Lohn für ihre Leistung bekommen, so dass sie nicht hungern müssen, einen sicheren Schlafplatz haben, sich mit anderen Menschen treffen, mit ihnen Freude erleben können und ihr Leben für sie selbst als sinnvoll erscheint. Menschen möchten mit sich selbst im Reinen sein und mit ihren Mitmenschen in Frieden leben. Geld ist nicht unbedingt nötig. Es wurde ja auch erst vor wenigen tausend Jahren „erfunden”, aber es kann als Hilfsmittel beim Handel gute Dienste leisten. Geld muss, genau wie die Wirtschaft, den Menschen dienen. Nicht umgekehrt!
Das bedeutet aber auch, dass die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen als Maßstab dienen müssten, die regional sehr unterschiedlich ausfallen. Nomaden haben sicher andere Wünsche an ihr Leben und ihre Umgebung, als Ackerbauern oder Industriearbeiter. Auch ein Eremit wird aus anderen Gründen und mit viel weniger glücklich sein, als ein Schauspieler, der ein Publikum braucht. Daher sind alle Versuche einen universellen Maßstab für Glück zu finden zum Scheitern verurteilt. Aber wofür man sorgen könnte und sollte, das wäre die Chance, dass jeder Mensch ausreichend Schlaf, Ernährung, Mitmenschen und Sinn in seinem Leben erhalten würde. 

Das Foto zeigt Elizis historischen Jahrmarkt im Stuttgarter Killesberg.
Auf Karussell und Wippe
Wie Wirtschaft denkt und damit die Welt ruiniert
 
Carl-Josef Kutzbach
Freitag, 10. Februar 2017