Verstümmelte Natur
 
Was macht es mit den Menschen wenn sie immer öfter verstümmelte, verkrüppelte, beschnittene, kahl geschorene Bäume und Hecken oder abgefräste Grünstreifen sehen? Das ist ja auch eine Form der Gewalt gegen Lebewesen, nicht mal gegen Sachen! Da wird Gewalt gegen Lebewesen nicht nur geduldet, sondern für notwendig erklärt. Zum Beispiel, weil die Gemeindekassen leer seien und man nur noch alle paar Jahre einen Gärtner mit der Pflege des Grüns beauftragen könne. Also müsse der halt einen Kahlschlag machen, damit wieder  für ein paar Jahre Ruhe sei. Wie das aussieht, interessiert den Kämmerer wenig. Dass die Menschen, die das sehen ein mulmiges Gefühl bekommen könnten, weil sie fürchten, wenn man schon so mit der Natur umgehe, dann könne ihnen möglicherweise bald ähnliches drohen, zumindest, wenn sie sich nicht brav in vorgegebene Schablonen einpassen, nicht zu alt, nicht zu jung sind und möglichst wenig Arbeit machen, all das ahnt der Kämmerer vielleicht nicht einmal und der Gemeinderat wischt alle Bedenken mit dem Totschlags-Argument beiseite: "Wir müssen doch sparen!"
Wir weiß noch, wie ein natürlich gewachsener Baum aussieht? Wer kann einen Baum auch im Winter noch an der Form erkennen?
Schuld haben unter anderem Juristen (Anwälte und Richter), die die Verkehrssicherheit von Bäumen anmahnen. Wehe ein Ast oder ein Baum könnte bei Sturm abbrechen, auf Autos, Haus oder Menschen fallen! Kein Wunder wenn Menschen meinen sie könnten bei Sturm oder im tief verschneiten Wald jederzeit gefahrlos herum laufen und falls doch etwas passiere, seien natürlich nur die Anderen schuld.
Dann die Gärtner, die einerseits auf Wunsch der Kunden Bäume pflanzen, wenn ein Busch von der Größe her völlig genügen würde, den man dann auch nicht kappen müsste, sobald er größer wird und dem Wunsch und Willen des Besitzers entwächst. Vermutlich verdient der Gärtner am Baum und dessen späteren Rückschnitt, oder seiner Beseitigung besser, als an der sachkundigen Beratung des Grundstücksbesitzers und dem Vorschlag etwas Kleinwüchsigeres (Busch oder hohes Ziergras) zu pflanzen. Und dann arbeiten sie - um Geld zu verdienen - so schnell es geht, also mit Maschinen, die aber weniger dazu taugen einen richtigen Baumschnitt, wie beim Obst zu machen, als vielmehr die Konturen zu rasieren. Baum und Busch werden "in Form gebracht", angepasst an dem meist völlig verständnislosen Willen des Besitzers.
Von Moden, die durch Medien vermittelt wurden, bis hin zu wirtschaftlichem Druck der Banken, Investoren oder Spekulanten reichen die Mitschuldigen. Da wird dann schnell mal eine Baumreihe beseitigt, damit der Verkehr während einer Baustelle fließen kann und hinterher neue, wenn auch wesentlich kleinere Bäume gepflanzt.
Lautenschlagerstraße in Stuttgart:
Weil auf der gegenüberliegenden Seite das ehemalige TWS-Gebäude abgerissen und durch einen neuen Klotz ersetzt werden sollte, mussten hier große Bäume gefällt werden, so dass die Straße während der Bauzeit an diese Stelle verlegt werden konnte.
Pflanzen werden nur als "Straßenbegleitgrün" oder dekoratives Element (Architektentrost) angesehen, aber nicht als lebendige Wesen, als ökologischer Faktor, als Luftreiniger, zusätzlicher Schutz der Wand, als Verbesserer des Stadtklimas, als Schattenspender, als Lebensraum für Tiere und manchmal auch Kinderspielplatz. Ihr Beitrag zur Lärmminderung wird ebenso vergessen wie ihr ästhetischer Gewinn, oder ihre Funktion als Bienenweide.
Rechts entlang der Straße die kümmerlichen Ersatzpflanzungen nach der Baumaßnahme mit völlig ungenügenden Beeten, dafür mit Schutzstangen, wegen der Autos. Bis diese Bäumchen so viel Sauerstoff und Schatten spenden, wie die gefällten, vergehen Jahrzehnte.
Die Größe der Baumscheibe, also des freien Erdreiches rund um den Stamm, zeigt schon, dass den Planern das Wohlergehen des Baumes gleichgültig war, denn dieser Bereich müsste in etwa so groß sein, wie die Krone, damit die Wurzeln genügen Wasser und Luft über diese Fläche aufnehmen können. Bei dieser winzigen Baumscheibe ist zu erwarten, dass der Baum nicht gut gedeiht.
Dass erst die Photosynthese der Pflanzen den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre so weit anhob, dass der Mensch entstehen konnte, wird vergessen, oder mit der Bemerkung abgetan, dass es doch auf dieser großen weiten Welt nicht auf dieses kleine bisschen Grün ankomme, das gerade hier eben doch störe.
Ohne diese Hummel bekommt der Spaziergänger im Herbst keine Brombeeren. Aber ohne geeigneten Lebensraum, gibt es keine Hummeln.
Genau diese Art zu denken, die die eigenen Interessen über die Bedürfnisse der Allgemeinheit stellt und eigenes falsches Verhalten damit rechtfertigt, dass es doch keine entscheidende Wirkung habe und es außerdem alle so machen würden, diese Art zu denken ist gefährlich, weil sie sich vernünftigen Argumenten verschließt und der Willkür des Einzelnen Vorschub leistet.
Wer die Grundlagen des eigenen Lebens nicht kennt und achtet, ist gefährlich, und sei es aus Dummheit.
 
 
Carl-Josef Kutzbach
Dienstag, 25. März 2014