Un-Wege und ein kaum genutzter Park
 
Ein Weg ist die Verbindung von zwei Punkten. Wenn das Gelände es zulässt, ist er gerade, weil das die kürzeste Verbindung zweier Punkte ist. Kurven entstehen, wenn ein Abgrund oder ein Berg umgangen werden, um Kraft zu sparen, die deren Überwindung kosten würde. Deshalb legten schon die Römer schnurgerade Straßen mit mäßiger Steigung an, um Boten und Truppen rasch von A nach B bringen zu können. Allerdings dienten die graden Straßen mit ihrem breiten Grünstreifen rechts und links auch der Sicherheit, denn man konnte auf ihnen so weit sehen, dass ein Hinterhalt kaum möglich war.
Das Wissen über Wege ist also eigentlich schon uralt. Trotzdem beschäftigte man sich vor Jahrzehnten am Stuttgarter Institut für Leichte Flächentragwerke unter Prof. Frei Otto auch mit Wegen und fand weitere Details heraus, die unter anderem dazu führten, dass man Verkehrsmengen und Wege berechnen konnte. Dadurch ersparte man sich den Ausbau des Leonberger Autobahn-Dreiecks zu einer Kreuzung und eine Verbindungsautobahn zu Bodenseeautobahn.
Trotz all diesem Wissen wurde am Stuttgarter Killesbergpark bei dessen Umgestaltung nach dem Abriss der Messehallen und des Parkhauses ein Wege-Wirrwarr geplant und gebaut, das darauf keine Rücksicht nahm.
Die beiden Teile dieses neu gestalteten Parkteils unterscheiden sich, deshalb zunächst zu dem Teil, der den Eingang zum eigentlichen unter Denkmalschutz stehenden Park ausmacht.
Am Anfang steht ein Lageplan, der aber nicht weiter hilft, denn wer kann sich schon alle diese Wege merken und in der Wirklichkeit wieder erkennen, wenn er auf den tiefer verlaufenden Wege steht und die anderen Wege nur als Einschnitt erahnen kann.
Die roten Linien bezeichnen Wege, auf denen man rasch in den eigentlichen Park am oberen Bildrand kommt. Verfolgt man die anderen Wege einen nach dem anderen, so findet man, dass viele keine Verbindung zwischen Wegen der angrenzenden Bebauung darstellen, also keine Fortführung von anderen Wegen sind. Wer etwa von den Wohnhäusern links vorne zum Einkaufszentrum rechts vorne möchte, findet keine gerade kurze Verbindung, sondern nur Wege, die nicht direkt zum Ziel führen, sondern Umwege vom Fußgänger verlangen.
Hier sieht man, wie der geschwungene Weg den Anschluss an die breite Treppe „verpasst“, die vom Innenhof des Einkaufszentrums zum Park führt. Wege die nicht zum Ziel führen werden entweder nicht benutzt, oder ignoriert und neue Wege getrampelt. Letzteres wird hier durch die Hohlweg-artige Gestaltung erschwert, aber Kinder und Jugendliche haben bereits begonnen ihre eigenen Wege zu gehen.
Auf der anderen Straßenseite vor der „Roten Wand“ aus Buntsandstein ist die Lage noch schlimmer (siehe auch Bild ganz oben), denn dort gibt es außer einem Durchgang zum Wohnviertel oberhalb überhaupt keine Ziele. Kein Spielplatz, kein Denkmal, kein Brunnen, kein besonderes Blumenbeet, kein uralter Baum mit Bänken darunter, nichts reizt dorthin zu gehen. Deshalb verirrt sich auch nur selten Ein Fußgänger dorthin, der sich bemüht den Sinn der Anlage zu verstehen, der sich ihm aber nicht erschließt.
Der Planer wollte mit den Wegen und Formen an Kleingärten erinnern, die angeblich einst hier standen. Das ist gründlich misslungen. Weder mäandern die Wege in Kleingärten, noch waren früher dort Hügelbeete die Regel. Schon deshalb, weil bei ihnen die Gefahr besteht, dass das Grundwasser nicht hoch genug ansteigt, um die Pflanzen zu versorgen. Auch der Rasen zeigte im Sommer Folgen von Trockenstress.
Dass der Pflegeaufwand für diesen Parkteil, der nur wenig genutzt wird besonders hoch ist, weil man die Rasenmäher nur über eine Rampe auf die Fläche bringt und die steilen Ränder nur mit bestimmten Rasenmähern oder Motorsensen bearbeiten kann, also die Folgekosten höher sind, als sonst, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Was tun?
Da man die Verantwortlichen in Planung und Gemeinderat vermutlich nicht zur Rechenschaft ziehen kann, wird man zumindest eine Weile mit dem misslungenen Wegekonzept leben müssen, ehe man die Fehler durch eine gründliche Umgestaltung behebt. Aber bitte dann nicht wieder alle vorhandenen Bäume fällen, sondern integrieren!
Diese Aufnahme vom Sommer 2007 zeigt, wie grün und voller Bäume das Gelände jenseits der Straße war. vorne rechts sieht man den Rest der einst berühmten Wasserspiele.
Damit mehr Menschen vor allem den Parkteil bei der Roten Wand nutzen, müsste man zuerst einmal Ziele schaffen, die sie zum Betreten der Wege reizen. Da die Kunstakademie ganz in der Nähe ist, läge es nahe aus dem misslungenen Parkteil einen Skulpturen-Garten zu machen. Zunächst einmal, indem einfach Skulpturen aufgestellt werden.
Langfristig müsste man sich überlegen, welche der Wege nützlich und erhaltenswert sind, oder ob man am Besten alle neu anlegt und dann noch bessere Ausstellungsmöglichkeiten für Skulpturen schafft, oder gar einen kleinen Pavillon, in dem auch Künstler auftreten könnten, mit einem kleine Platz davor, der den Zuschauern Sitzgelegenheiten bietet.
Sollte es wegen der Straße zu laut dafür sein, könnte man ja längst der Straße einen der Wälle noch etwas höher machen und dafür die anderen einebnen.
Gemeinderat und Planer sollten allerdings trotzdem nicht ungeschoren davon kommen, denn das nötige Wissen über Wege war da und teilweise sogar in Stuttgart erarbeitet. Vielleicht könnte man sie jedes Jahr einmal in diesen Teil des Parks zitieren und ihnen an Hand von Bildern und Vorträgen klar machen, welche unsinnige Verschwendung von Mitteln, welche zu hohen laufenden Kosten und welche Verlust für die Umwelt und die Parkbesucher sie zu verantworten haben, damit sie wenigstens bei zukünftiger Planung überlegter zu Werke gehen. Man muss ihnen bei diesem Parkbesuch ja keine Schandgeige umlegen, aber die Teilnahme muss schon Pflicht sein.
 
Das Bild ganz oben zeigt, wie kahl das Gelände heute ist, nachdem man alle alten Bäume beseitigte, damit die Baumaschinen Hügelbeete und Wege so anlegen konnten, wie sie am Reißbrett oder im Computer des Planers entstanden waren.
  
 
Carl-Josef Kutzbach
Sonntag, 2. März 2014