Der Deutschlandfunk meldete am 26.12.2016:
Der pakistanische Verteidigungsminister Asif fiel auf eine im Internet verbreitete Falschmeldung herein. Darin hieß es, die israelische Regierung habe gedroht, Pakistan durch einen Atomschlag zu vernichten. Asif schrieb daraufhin auf Twitter, Israel solle bedenken, dass auch Pakistan eine Nuklearmacht sei.
Man weiß gar nicht worüber man sich mehr entsetzen soll, über die Naivität des Ministers, oder über den Leichtsinn derer, die eine derartige Nachricht verbreiten, geschweige denn verfassen. Da riskiert jemand einen Atomkrieg, nur weil er oder sie es lustig findet, oder Langeweile hat.
Zugleich zeigt sich, wie wertvoll ein Journalismus wäre, der dafür sorgt, dass nur solche Nachrichten verbreitet werden, für die eine Bestätigung aus zwei voneinander unabhängigen Quellen vorliegt, wie das früher üblich war.
Dass die Geheimdienste des Landes nicht gefragt wurden, oder nichts dazu sagen konnten, hätte ebenfalls dazu führen müssen, dass man prüft, ob die Nachricht echt sein kann.
Kurzum: Versagen auf mehreren Ebenen, angefangen vom Verfassenden, über den Verbreitenden bis hin zum Lesenden.
Es ist vielen Nutzern so genannter „Sozialer Medien“ nicht klar, welche Macht und welche Folgen Worte haben können. Napoleon nannte den Herausgeber des Rheinischen Merkurs Joseph Görres die „fünfte feindliche Großmacht“. In München führten gedankenlose Kurznachrichten zu einer Panik, die die halbe Stadt beim Amoklauf (2016) lähmte.
Ebenfalls unklar ist den meisten, dass diese Medien kein kostenloses Geschenk sind, sondern sich mit Daten bezahlen lassen und ihre Nutzer oft ausspionieren, also streng genommen Datendiebstahl begehen, weil den allermeisten das Lesen des Kleingedruckten a) zu mühsam ist und sie b) die juristischen Formulierungen nicht verstehen und deshalb zustimmen, ohne sich der Folgen bewusst zu sein. Das ist zumindest fahrlässig. Viele Dienste, mit denen ihre Anbieter in vielen Fällen erhebliche Gewinne machen, sind Geschäftsmodelle, die Raum auf Servern dafür bereit stellen, dass die Nutzer ihn füllen (Youtube, Facebook, Twitter, Instagram, Google, etc.) und sie an der Nutzung der Inhalte verdienen, entweder durch dazu geschaltete Werbung, oder indem sie die Daten auswerten und verkaufen. Sorgfalt und Verantwortung interessiert die Firmen nicht.
Dass man das als „Soziale Medien“ verkauft ist clever, aber dann ist auch jede Post, jede Telefongesellschaft, jedes Medium, ja vielleicht sogar Verkehrsbetrieb ein sozialer Betrieb. In Wirklichkeit sind das Wirtschaftskonzerne, die weltweit agieren und die Gesetze und Steuern der Länder so weit wie möglich umgehen, weil das ja nur Umstände machen würde, die Geld kosten. Man könnte die Anbieter der Dienste daher auch weltweit agierende Piraten nennen.
Wer sich solchen Geschäftemachern anvertraut, zeigt das er mindestens so naiv ist, wie der pakistanische Minister. Wer glaubt, dass er sich im Notfall auf alle diejenigen, die der Anbieter als „Freunde“ bezeichnet, oder als Anhänger (Follower), verlassen könnte, der ist von allen guten Geistern verlassen.
Man muss auch fragen, wozu das Ganze gut ist, wenn so viele Menschen meinen mit der Wirklichkeit nicht genügend ausgelastet zu sein, so dass sie sich und Anderen noch eine erfundene Wirklichkeit hinzufügen (Second Life), die aber rasch an Attraktivität einbüßt und dann durch ein neues Medium, eine neue Software (App) ersetzt werden muss.
Gründe gibt es gleich Mehrere:
  1. 1.Da die Welt durch die Nutzung des Internets scheinbar unübersichtlicher geworden ist, sucht man Orientierung in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Dass damit die Zersplitterung der Gesellschaft voran getrieben wird und die Unübersichtlichkeit wächst, wird nicht erkannt.
  2. 2.Der Niedergang der Qualität in den Medien seit mindestens 1984 (in Deutschland) führt dazu, dass man sich nach verlässlichen Informationsquellen sehnt. Da kommen „Freunde“ gerade recht, weil man schon allein wegen des Begriffs Ehrlichkeit und Redlichkeit voraus setzt.
  3. 3.Die sinkende Qualität der Medien führt aber auch zu mehr Unübersichtlichkeit, weil bei immer mehr Ereignissen nicht mehr darüber berichtet wird, wie die Geschichte am Ende ausgeht. Also wünscht man eine Auswahl von Nachrichten, die das leistet und die Vielfalt der Themen auf einige wenige verringert. Das übernehmen Rechenprogramme, die aber nur beurteilen können, was der Benutzer schon mal wissen wollte. Sie können nicht erkennen, was der Nutzer wissen müsste, oder für ihn vielleicht wichtig würde. Damit verfestigen Sie Vorurteile und Ängste, statt durch Nachrichten das Wesentliche zu vermitteln und neuen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen.
  4. 4.Man meint keine Zeit zu haben und wünscht daher alles sofort zu erfahren (auch um damit im Bekanntenkreis angeben zu können und sich den Nimbus eines gut informierten Menschen zu geben, als die Deutungshoheit im Gespräch zu behalten). Dass Geschwindigkeit nur um den Preis einer höheren Fehlerrate zu erhalten ist, wird nicht bedacht. Dabei nutzt der Durchschnitt die Medien täglich über zwei Stunden. Es wäre eigentlich Zeit genug, wenn man sich nur die Mühe machte die wirklich bedeutsamen Themen zu suchen und dazu verschiedene Quellen zu studieren.
  5. 5.Die Illusion, dass man keine Zeit hätte (was u. A. daher kommt, dass man sie mit Nebensächlichem vertut), wird auch durch die Art der Mediennutzung widerlegt. Sehr viele schauen sich Filmchen an, die sehr viel mehr Zeit erfordern, als wenn man in derselben Zeit eine gut gemachte Nachricht zum selben Thema läse. Aber Lesen ist eine aktive Tätigkeit, Zuschauen eine passive.
  6. 6.Zu irgend etwas muss doch das teure Smart-Phone genutzt werden, das sowieso auf nur zwei, drei Jahre Nutzung ausgelegt ist. Man muss doch aller Welt zeigen, dass man es beherrscht und besonders witzige, pfiffige Dienste drauf laufen hat, um nicht als digitaler Laie da zu stehen. Es geht also schlicht um Angeberei und Statussymbole.
  7. 7.Wer nicht mitmacht, wird abgehängt. Das gilt für den ganzen Bereich der Informations-Technik. Egal ob Computer oder Smart-Phone, wer nicht bereit ist ständig Aktualisierungen (updates) und Leistungserweiterungen (upgrades) zu installieren, die einen Teil des eigene Wissens über Rechner und Programme sowie der eigenen Routine entwerten, der wird mal sanfter, mal gnadenlos darauf hin gewiesen, dass er ohne diese Veränderungen seines System, seiner Software diese und jene Dienste nicht mehr werde nutzen können. Bei Windows 10 drängelte Hersteller Microsoft sogar indem er einen Systemabsturz vorspiegelte (Blue Screen). Mir ist zumindest ein Fall bekannt, bei dem die Installation von Windows 10 zum Systemversagen und monatelanger Wiederherstellung der vertrauten Arbeitsumgebung führte.
  8. 8.Die Zeiten, als man noch durchschaute, was im Rechner geschah, sind für die allermeisten Benutzer längst vorbei. Man benutzt sie, ohne zu wissen, wie sie funktionieren und was sie machen, so ähnlich, wie viele Autofahrer ihr Auto. Der Unterschied ist, dass man beim Auto bis zum Abgas- und Verbrauchs-Skandal davon ausgehen konnte, dass die Hersteller und Werkstätten nichts tun würden, was dem Benutzer schaden würde. Bei Rechnern gab es Hintertürchen (Backdoors) und wer einmal kontrolliert, wie oft seine Programme - ohne ihn zu fragen - mit dem Internet Kontakt aufnehmen (z.B. auf Macs mit Little Snitch), der ahnt, dass das Ausspionieren bei vielen Programmen ein verheimlichter Teil der Aufgaben ist, für die geworben wurde.
Kurz, die IT-Branche hat ihre Kunden zu Abhängigen gemacht (das entspricht dem Verhalten eines Drogendealers, der potentielle Kunden anfixt), die sich auch den Fängen der digitalen Geräte kaum mehr befreien können. Diese Entmündigung samt dem damit verbundenen Suchtverhalten, führt natürlich zu noch mehr Unsicherheit und noch mehr Sehnsucht nach Halt und genau den versprechen die Firmen demjenigen, der ihre Dienste nutzt.
Nun gibt es sicherlich Einsatzgebiete für Datenverarbeitung, die wirklich gut und hilfreich sind, aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass Datenverarbeitung alle Probleme der Welt lösen kann.
In den 60er, 70er Jahren meinte man für das Erlernen von Fremdsprachen unbedingt Sprachlabors in den Schulen installieren zu müssen, dann hieß es „Schulen ans Netz“, weil die Schüler ohne Computer mit Internet-Anschluss den Anschluss verpassen würden, aber man verschwieg, dass man überhaupt keine Lehrpläne und keine Inhalte hatte, was damit vermittelt werden sollte. Und sobald die Schulen die Geräte und Leitungen hatten, ließ man sie damit allein und ohne professionelle Wartung hing der ganze Nutzen vom guten Willen desjenigen ab, der sich ehrenamtlich um die Geräte und Software kümmerte. Während bei einer Schultafel Kreide und Lappen notfalls aus dem Nachbar-Klassenzimmer geborgt werden können, ruiniert ein defektes Whiteboard, ein defekter Beamer, oder andere defekte IT-Infrastruktur die gesamte sorgfältig vorbereitete Unterrichtsstunde und verplempern wertvolle Unterrichtszeit, in der man versucht sie doch noch zum Laufen zu bringen. Kein Wunder, dass die anfängliche Begeisterung für technische Hilfsmittel längst wieder sinkt.
Wenn dann noch die Inhalte immer öfter gefälscht oder Erfunden sind, dann sinkt der Wert von solchen Diensten gegen Null, und man kann getrost auf „Fakebook“ (Fälschungsbuch) und dergleichen verzichten. Meine Großmutter lehrte mich einst:
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
und wenn er auch die Wahrheit spricht!
 
Bild oben: Eine bedrohlich mahnend wirkende Wolke.
 
 
„Soziale Medien” gefährden Weltfrieden
Carl-Josef Kutzbach
Dienstag, 27. Dezember 2016