Niedergang
der Innenstädte
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 4. März 2021
 
Man meint, dass die Innenstädte veröden, weil es an attraktiven Geschäften fehle, oder, weil - auch wegen der Pandemie - der Handel sich ins Internet verlagere. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Wenn Ministerien, Versicherungen, und Firmen (z.B. StZ und StN, EnBW, Allianz) Tausende an Arbeitsplätzen aus der Innenstadt an den Rand verlagern (Landhauskreuzung, Fasanenhof, Vaihingen), dann fehlt die Kaufkraft dieser Mitarbeiter in der Mittagspause für Speiselokale, aber eben auch für Läden, in denen man mal eben dies oder das einkauft, was fehlt, oder was man haben möchte. Gibt es aber immer weniger Läden, die man gerne mal aufsucht, um zu schauen und vielleicht auch zu kaufen, dann verliert die Stadt an Reiz.
Das Gleiche geschieht, wenn die Menschen keine Zeit mehr zu haben meinen, dann gibt es eben keinen Schaufensterbummel mehr (selbst, wenn die nicht zugeklebt sind). Wer nur noch auf den kleinen Bildschirm starrt, den er ständig mit sich herum trägt, oder auf das hört, was aus den Kopfhörern klingt, der sieht auch die Schaufenster und ihre Angebote nicht mehr.
Wenn aber Tausende von Arbeitsplätzen aus der City verschwinden, dann kommt der Handel früher oder später unter eine kritische Grenze, ab der sich Geschäfte nicht mehr tragen. Das wird sich verschärfen, wenn - wegen der Pandemie - das Arbeiten von Zuhause aus zunimmt, so dass immer weniger Menschen zur Arbeit in die Stadt fahren müssen. Kein Wunder, wenn es einen Niedergang der Warenhäuser gibt, die eben auf eine große Menge Laufkundschaft ausgelegt sind. Wenn die aber nicht mehr in die Stadt kommt, weil sie dort nicht mehr hin muss, dann nützen weder Werbung noch hübsche Darbietung. Ein Kunde der Beides nicht sieht, wird davon nicht angesprochen und sieht keinen Grund das Geschäft aufzusuchen.
Wer im Internet einkauft, versucht meist, das billigste Angebot zu finden, der geht nicht irgend wo hin, um sich kompetent beraten zu lassen und das durch einen höheren Preis auch zu bezahlen. Die Suchmaschinen nehmen das Stunden-lange Bummeln und Preise-vergleichen ab und das Gewünschte, wenn es das gibt, ist in kürzester Zeit bestellt, ohne die Qualität zu prüfen, ohne jeglichen Service, Anprobe, eventuellem Kürzen oder Abnähen. Das kostet den Anbieter weniger, als wenn ein Fachgeschäft mit schöner Inneneinrichtung und gut ausgebildeten Fachverkäufern sich für den Kunden und seine Wünsche Zeit nimmt. Kein Wunder, dass hochwertige Ware kaum noch angeboten und daher – und da beißt sich die Katze in den Schwanz - auch nicht gekauft wird.
Die großen Arbeitgeber, die aus der teuren Innenstadt in billigere Randlagen fortziehen und die Auswirkungen der mobilen Internet-Nutzung tragen also ganz wesentlich dazu bei, dass die Innenstädte veröden.
Da das Bauen auf der grünen Wiese billiger ist, als wenn man in der Innenstadt erst andere Gebäude abreißen muss, und sehr hohe Preise für den Quadratmeter Grundstück bezahlen muss, ziehen Firmen aus der Innenstadt fort und überlassen die von ihnen bisher benutzten und abgeschriebenen Gebäude Investoren, die dann sehen können, was sie damit anfangen. Das ist ein sich aus der Verantwortung stehlen, vor allem, wenn man, wie die Allianz, die Bauten in der Stadt (am Hasenberg, am Olgaeck) mit ziemlich viel Druck gegen den Denkmalschutz und die Wünsche der Bürger durch gesetzt hat. Oft passiert über längere Zeit nichts, was den Gebäuden nicht gut tut, wie das ehemalige IBM-Gelände in Vaihingen zeigt, für das jetzt die Stadt einen Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr planen und bezahlen soll. Auch in der Innenstadt gab und gibt es Gebäude die lange Zeit nicht genutzt wurden, oder werden konnten, wie die Bahndirektion.
Im Grunde erleben wir heute ein Umkippen des Büromarktes. Erst wollten die Firmen in der Stadt präsent sein und mit prächtigen Bauten für sich werben. Das brachte Leben in die Stadt. Nun ist ihnen die Innenstadt zu teuer geworden und sie ziehen dorthin, wo sie billiger bauen können. Dort bleiben sie dann für 30-50 Jahre, bis die Gebäude abgeschrieben sind, um dann wieder weiter zu ziehen, wie die Heuschrecken.
Die Mitarbeiter müssen dann eben zum Teil weiter fahren, was die Stadt durch Verkehr noch unwirtlicher macht. Jetzt zeigt sich durch die Pandemie, dass ein Teil der Arbeit auch von Zuhause aus geleistet werden kann, zumindest, wenn es die Not gebietet, aber oft zu Lasten der Mitarbeiter und ihrer Familien, und die Firmen verringern ihre Baupläne (Allianz Vaihingen). Der nächste Schritt könnte sein, dass die Firmen Arbeiten an Leute vergeben, die sich im Internet um bestimmte Arbeiten bewerben und auf Honorarbasis arbeiten. Dann spart die Firma nicht nur das Büro, sondern auch noch die Sozialabgaben. Dann werden noch mehr Büros überflüssig und die Innenstädte verlieren weiter an ihrer Funktion als Orte der Begegnung und des Austausches von Waren und Ideen.
Das Verschwinden von Cafés, kleinen Restaurants, aber auch von Fachgeschäften und Warenhäusern sind Warnsignale, dass der Kommerz sich selbst ruiniert, denn wenn es nur noch ums Geld geht, aber nicht mehr um den Menschen, was soll der Mensch dann dort?
 
Foto: Ein Traditionsgeschäft gibt auf.