Fragwürdiger Baumschnitt
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 21. Mai 2022
 
Der Baum im Bild oben rechts ist eine Eibe ( taxus baccata ), die hier von möglichen 15 Metern Höhe vielleicht die Hälfte erreicht hat. Das bedenken aber viele nicht, wenn sie Eiben pflanzen.
Eiben wachsen recht langsam, was zu einem sehr robusten Holz führt. Vermutlich auch deshalb können sie etwas 2000 Jahre alt werden. Auch daran denkt fast niemand beim Pflanzen.
Die Terrasse links daneben befindet sich auf dem Dach von Garagen. Deshalb wächst da nichts, außer in Kästen.
Am 15. Dezember 2015 kommen so genannte „Gärtner“. Danach sieht der Baum so aus:
„Fröhliche Weihnachten!” für alle Vögel, die darin nisteten oder bei Schneefall Schutz fanden!
Ein Baum, der wie eine Eibe Tausend Jahre überdauern kann, lässt sich durch einen derartigen Baumschnitt nicht klein kriegen. Deshalb nimmt man ja auch Eiben ( neben Buchsbaum ) um grüne Figuren in ihre Kronen zu schneiden. Die Eibe schlägt im nächsten Jahr tapfer aus:
Aber der Gärtner ist auch schon wieder zur Stelle.
Es dauerte einige Jahre, bis wieder Vögel in der Eibe nisten konnten. Sogar ein paar Ringeltauben diente sie schon als Zuhause. Aber was ist das denn für ein Baum geworden?
 
Ein Pilzbaum?
Vermutlich ist es weder dem Hauseigentümer noch dem Gärtner, der der Eibe jedes Jahr einen neuen Schnitt verpasst ( und daran gut verdient ) bewusst, dass sie aus der Zeit gefallen sind. Ludwig der 14. befahl in den Gärten von Versailles, dass sich auch die Natur ihm unterzuordnen habe und ließ dem entsprechend alles Mögliche in Formen schneiden. Aber das war vor über 300 Jahren und in der Zeit des Absolutismus.
Heute leben wir in einer Demokratie und haben vielleicht schon einmal etwas von Ökologie gehört, oder vom Artensterben, dem Schwund an Vögeln und Insekten. vom Klimawandel oder von der Notwendigkeit Energie zu sparen. Aber nein, die Gärtner kommen mit Motor-betriebenen Geräten und benehmen sich, als wären sie Friseure.
Klar kann man so Geld verdienen, denn ein sachgemäßer Baumschnitt mit Schere und Säge geht nicht so schnell und erfordert mehr Kenntnisse, wie eine Standardrasur. Außerdem kann man auf diese Art und Weise jedes Jahr diese Rasur berechnen und dem Auftraggeber zeigen, dass man etwas getan hat, sogar, wenn der von Pflanzen auch nicht viel versteht, denn es sieht ja nun wieder „ordentlich” aus. Als hätte uns das 3. Reich nicht skeptisch gegenüber zwangsweisen und zwanghaften Ordnungen machen müssen.
Der Eibe dürfte das solange egal sein, solange sie wieder austreiben kann und nicht durch andere Maßnahmen gemeuchelt wird. Sie wird vermutlich Hausherren, Erben und Generationen von Gärtnern überleben.
Aber wer eine derartig barbarischen Umgang mit Natur täglich anschauen muss, der fragt sich schon, ob da nicht menschlicher Größenwahn statt angemessener Bescheidenheit am Werke ist. Doch sehr wahrscheinlich denkt man gar nicht so weit, sondern ärgert sich über den Schatten, den der Baum wirft, über die Früchte, die er abwirft, oder schlicht, dass er so groß wird, wie man selbst nie werden wird, und einem den Blick verstellt.
Solange man das nötige Geld hat, um derartige Vergeudung zu bezahlen von menschlicher Arbeitskraft und den Einsatz von unnötigen Maschinen ( inklusive Gebläse um die abgeschnittenen Teile aufzuräumen ), solange wird sich daran wohl nicht viel ändern.
Es scheint, als ob manche Menschen die Natur als einen Feind betrachten, den man möglichst klein halten muss. Wissen sie denn nicht, dass wir alle von der Natur leben?
 
Die Bilder der Eibe stammen von 2006, 2015, 2016 und 2022.