Gewinne auf Kosten der Schwächsten
Carl-Josef Kutzbach
Dienstag, 17. September 2019
 
Seit das Monopol der Post fiel, versuchen Firmen einen Teil des Briefpostgeschäftes und der Paketdienste zu übernehmen. Leider mit unsauberen Methoden:
Mit Fahrrädern und Motorrollern wird die Post auf dem Gehweg transportiert und von dort zugestellt. Formal wären die jeweiligen Rollerfahrer und Radler die Verkehrssünder.
Aber in Wirklichkeit sitzen die Verantwortlichen in der Chefetage, weil sie Arbeitsbedingungen schufen, die ohne eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung kaum zu bewältigen sind, denn der Zeitdruck ist hoch.
Da fährt man dann auch mal mit hohem Tempo auf dem Gehweg. Mit zunehmendem Briefaufkommen, oder mit höheren Rendite-Erwartungen der Geldgeber, waren größere Fahrzeuge nötig, erst Fahrräder, dann Dreiräder
Da kann oder will auch die Post nicht Abseits stehen, denn schließlicht geht es um Konkurrenz. Dass damit die Schutzzone Gehweg für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Alte und Kinder zur Kampfzone wird und Müttern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrern und Alten mit Rollator der Platz weg genommen wird, nimmt man in Kauf. Vermutlich denken die Zusteller gar nicht darüber nach und der Chefetage ist es gleichgültig, Hauptsache, die Zahlen stimmen.
Kein Wunder, wenn dank elektrischem Hilfsmotor auf dem Gehweg ein flottes Tempo gefahren wird. 
 Kinder, die auf dem Gehweg spielen, Leute, die ihr Haus verlassen, oder gar Hunde an der Leine, sind nicht vorgesehen.
Wie kam es dazu? Eine Liste der Fehler und Mängel:
 Der Gesetzgeber hat die falschen Rahmenbedingungen gesetzt. Hätte man die Zustellbezirke ähnlich wie die Buslinien ausgeschrieben und nur eine Firm hätte jeweils den Zuschlag bekommen, müssten nicht mehrere Anbieter dieselben Straßen befahren, sondern je Bezirk nur einer. Macht der die Sache gut, bekommt er für die nächste Ausschreibung einen Pluspunkt, wenn nicht ein Minus.
 Der Fehler wurde sowohl bei der Paketzustellung, als auch bei der Briefzustellung gemacht, was zu unnötiger Umweltbelastung und zu vermeidbarem Verkehr führt.
 Unternehmen, die in den Markt drängten, hatten zunächst wenige Kunden und daher recht große Abstände zwischen den einzelnen Briefkästen, in die zugestellt werden sollte. Daher lag es nahe Fahrzeuge mit Motor zu benutzen.
 Vermutlich hat man den Boten gesagt, dass sie Strafzettel selbst zahlen müssten, aber Fahrzeuge gewählt, deren Kennzeichen nur verrät, dass dafür eine Versicherung abgeschlossen wurde, die aber (anders als beim Kfz-Kennzeichen) keine Aussage über den Halter des Fahrzeugs macht. Man kann daher die Benutzer nicht anzeigen. Das dürften die Fahrer wissen.
 Um Geld zu verdienen werden die Touren so groß gewählt, dass sie der Mitarbeiter gerade noch schaffen kann, wenn er sich beeilt. Teilweise (z.B. bei den Zeitungsa-Ausfahrern) werden Vorgaben gemacht, die nur einzuhalten sind, wenn man die Straßenverkehrsordnung missachtet.
 Die Boten haben zum Teil Feierabend, wenn sie alles zugestellt haben, was ein Anreiz ist sich zu beeilen. Der Feierabend hängt also nicht von der eigenen Arbeitsleistung ab, sondern von der Zahl der zuzustellenden Briefe und Pakete.
 Da die Aggressivität im Straßenverkehr zugenommen hat, dürften sich manche Zusteller mit ihren schwächer motorisierten Fahrzeugen auf dem Gehweg sicherer fühlen.
 Da die Briefzusteller an die Briefkästen müssen, liegt es nahe, dass sie versuchen ganz nah ran zu fahren, um aus dem Sattel die Post einzuwerfen um nicht absteigen zu müssen.
 Je größer die Fahrzeuge, desto schwieriger ist es sie korrekt abzustellen, da es kaum Parkplätze für Dreiräder gibt. Also weicht man auf den Gehweg aus.
 Die Gewinne der Zustellfirmen werden zu Lasten der Anwohner und der schwächsten Verkehrsteilnehmer erzielt, aber offensichtlich keine Strafen befürchtet. Hätte man die Zustellbezirke ähnlich den Buslinien an einzelne Firmen vergeben, wüsste jeder, an wen er sich bei Reklamationen zu wenden hätte, auch ohne Nummernschild. 
Und welche Folgen hat das? 
Seit das Befahren des Gehwegs mit Fahrzeugen alltäglich geworden ist, meinen auch andere, sie dürften das um dem aggressiven Verkehr und dem Stress auf der Straße auszuweichen. Häufig sind es ältere Leute, die sich ein Elektrofahrrad gekauft haben, aber schon lange Zeit nicht mehr Rad gefahren sind und daher etwas unsicher fahren. Seit Lastenräder mit Motor in Mode kamen und von der Stadt bezuschusst werden, ist man als Fußgänger auf dem Gehweg nicht mehr sicher. Dazu tragen auch Segways bei, die den Gehweg missbrauchen.
Hinten traut sich ein kleines Kind auf seinem Fahrrad nicht weiter zu fahren, obwohl es das dürfte!
Angeblich dürfen diese sogar mit einer Sondererlaubnis durch die Parks fahren. Dabei hat man zum Beispiel am Killesberg an allen Zugängen Schilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass nur Fußgänger Zutritt haben. Auch dort werben Firmen auf Kosten der Fußgänger für ihre Produkte:
Der Fußgänger wird zum Freiwild und man kann Kinder schon lange nicht mehr auf der Straße spielen oder Roller fahren lassen. Kein Wunder, wenn Bewegungsmangel deren Gesundheit gefährdet. Und die nächste Belästigung rollert bereits heran.
Auch dieses Paar spart sich den zweiten Roller und meidet den Stress, den der Straßenverkehr bedeuten würde. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn Unfälle zunehmen, bei denen jemand verbotswidrig auf dem Gehweg radelt oder rollert und nicht rechtzeitig anhalten kann wenn ein Auto aus der Garage fährt, oder Kinder, Alte oder Hunde an der Leine plötzlich im Wege sind.
Der Vollständigkeit halber: Das Fahren auf dem Gehweg kann den Radler zwischen 5 und 35 Euro kosten.
Weist man Radler und Andere darauf hin, dass sie auf dem Gehweg nichts zu suchen haben (Ausnahme Kinder und Eltern, die radelnde Kinder begleiten), dann wird man dumm angemacht, oder gar beschimpft. Wie war doch der alte Spruch? 
Radfahrer treten nach unten und buckeln nach oben!
Gesetzgeber und Firmen haben versagt.