Brandgefährlich
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 3. November 2018
 
Wenn man verstehen will, weshalb ein Bus, ein ICE oder die Wohnungseinrichtung in Flammen aufgehen kann, obwohl doch angeblich scher entflammbare Stoffe verwendet werden, kann mit der nötigen Vorsicht mal folgendes Experiment machen:
Wenn man einen Zuckerwürfel (über einer feuerunempfindlichen Unterlage, die auch dreckig werden darf, am Besten im Freien über einer Feuerstelle) anzuzünden versucht, wird das nicht gelingen. Sobald man aber ein wenig Asche drauf tut, lässt er sich anzünden.
Zucker ist eine Form des Kohlenstoffes, der – wie die Älteren von der Ofen-Heizung mit Kohle oder Briketts her noch wissen – gut und lange zu brennen vermag. Sehr viele aus Erdöl erzeugte Kunststoffe sind ebenfalls Kohlenstoff-Verbindungen und brennen daher prächtig. Das gilt für Kleidungsstücke, Vorhänge, Matratzen, Polster, Kissenfüllungen, Teppiche, Klodeckel, Spiegelschränke, Hausgeräte (Kaffeemaschine bis Computer) etc. All das macht heute Wohnungsbrände so gefährlich, denn sobald diese Kunststoffe erst einmal brennen, brennen sie meist gut und geben obendrein Gase ab, die zum Teil giftig sind. Wenn dann noch die Wärmedämmung des Hauses ebenfalls aus Kunststoffen besteht (Schaumstoffplatten), dann wird dadurch auch die Flucht aus dem Fenster erschwert.
Ähnlich ist es bei vielen modernen Verkehrsmitteln (Kajak, Sportboote, Autos, Busse, Bahnen, und Flugzeuge). Man verwendet Glas-, oder Kohlefaser-verstärkte Kunststoffe (GFK), um Gewicht und damit Energie einzusparen und hofft, dass deren Ausrüstung (chemische Zusatzstoffe) verhindert, dass sie im Brandfall Feuer fangen. Dabei dürfen in Bussen Stoffe verbaut werden, die weniger sicher sind, als in Eisenbahnen. Was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat?
War früher alles besser? Natürlich nicht. Aber ein Eisenbahnwagon aus Metall mit hölzerner Inneneinrichtung war sicherlich schwerer anzuzünden, als ein moderner Wagon mit Inneneinrichtung aus Kunststoffen und Wänden aus GFK und Aluminiumstreben. Der brennt, wenn er erst einmal brennt, lichterloh, wie zuletzt der ICE-Brand auf der Schnellfahrstrecke Frankfurt - Köln zeigte. Auch Fahrzeuge der Bauart Talent brannten schon prächtig. Beim ICE-Brand entstanden so hohe Temperaturen (vermutlich durch Transformatorenöl), dass es zu einem Metallbrand kam und neben der Oberleitung und den Gleisen auch deren Betonfundament beschädigt wurde. Dass es nicht zu einer Katastrophe kam, ist glücklichen Umständen zuzuschreiben, die eine rasche Evakuierung ermöglichten. Man muss sich klar machen, dass ein Zug, der schnell fährt, und zu Brennen beginnt, ähnlich ist, wie ein Stückchen Glut, das man durch Pusten zum Brennen bringt. Nur ist der Fahrtwind bei hohen Geschwindigkeiten viel stärker als unsere Lunge.
Was früher besser war, sind die Stoffe, die man im Hause verwendete. Tierhaare brennen – ähnlich wie unser Haar – schlecht und daher ist Wolle von Natur aus weniger brandgefährlich. Andere Naturfasern (Leinen, Hanf, Baumwolle, Seide) brennen unterschiedlich gut, oder genauer „schlecht”, sind aber nicht als Brandbeschleuniger, wie manche Kunststoffe, bekannt.
Man sagt, dass eine Seegras-Matratze so schwer entflammbar sei, dass man eine Zigarette darauf ausdrücken könne, ohne, dass die Matratze Feuer fängt. Ich habe das nicht überprüft. Es dürfte auch davon abhängen, wie stark die Matratze gestopft ist, denn auch ein Zeitungsstapel lässt sich kaum anzünden, weil die Luft nicht an das einzelne Blatt heran kommt. Aber Rosshaar und andere natürliche Matratzenfüllungen scheinen weniger gut zu brennen, als Kunststoffe (Schaumstoff-Matratzen).
Man kann also durchaus selbst etwas tun, um die Brandgefahr zuhause zu verringern, indem man Textilien aus Naturstoffen verwendet und, wo sich das machen lässt, Geräte, die nicht aus Plastik sind, in denen also sogar ein Kurzschluss kaum zum Brand führen kann.
Da man früher sehr viel weniger Besitz, Möbel und Kleidung hatte, waren die Zimmer auch weniger voll gestopft mit Sachen, die brennen könnten. Dafür waren Strohdächer oder hölzerne Schindeln, wenn sie denn mal brannten sehr gefährlich, wie die großen Stadtbrände von Fachwerkhäusern (Esslingen, Stuttgart, Herrenberg, Leonberg) verraten. Kurzum, die Risiken waren vielleicht geringer, lagen aber auf jeden Fall anders als heute.
Problematisch ist heute zudem, dass früher der Umgang mit offenem Feuer von klein auf geübt wurde, während heutige Kinder dazu kaum eine Gelegenheit haben und weder die Gefahren, noch die Gegenmaßnahmen einzuschätzen vermögen. Deshalb ist die Rauchmelder-Pflicht verständlich, obwohl der Rauchmelder nur dann anspringen sollte, wenn es wirklich brennt und nicht durch Fehlalarme Abneigung oder Gewöhnung hervorrufen. Aber Rauchmelder sind nur eine nachgeschaltete Sicherheitsmaßnahme, während es viel besser wäre Wohnungen und Fahrzeuge gleich so auszustatten, dass sie nicht nur „schwer entflammbar“ sind, sondern  schlecht brennen, denn das wäre vorbeugender Brandschutz.
Wichtig wäre darüber hinaus Kindern den Umgang mit dem Feuer beizubringen, so dass sie seine Gefahren kennen und selbst im Suff nicht auf die Idee kommen irgend etwas anzuzünden, was brandgefährlich ist. Dazu würde aber auch gehören, dass Erwachsene ihnen ein gutes Vorbild geben.
 
Das Bild oben zeigt einen Fensterladen, der bei einem Brand oberflächlich zu brennen begann, aber gelöscht wurde, ehe er seine Stabilität verlor.