Larifari
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 6. November 2021
 
Als die Grünen 2011 die Regierung in Baden-Württemberg übernahmen, prophezeite ich Vielen eine Enttäuschung, was sich jetzt beim Bund mit der Ampel-Koalition wiederholen könnte, weil wenige hundert Gewählte einigen Tausend Behördenmitarbeitern gegenüber stehen, was einerseits eine gewisse Kontinuität bedeutet, aber andererseits auch rasche Änderungen verhindert, wie man sie heute für den Klimawandel bräuchte.
Die neue Kampagne, um das Ansehen Baden-Württembergs zu heben, lenkt den Blick auf den Umgang der Regierung mit der Sprache. Der Verkehrsminister Hermann hat mit der Anschaffung neuer Züge, die den Betreibern der Bahn zur Verfügung gestellt werden, einen ersten Schritt hin zu einer Verkehrswende gemacht und der DB nachgewiesen, dass sie die frühere CDU-Regierung, und damit die Bürger, finanziell über den Tisch gezogen hatte.
Aber das Design der Züge und der Schriftzug darauf, ist nicht so gelungen. Ob man mit den weißen Zügen an die ICEs erinnern wollte? Und mit dem Gelb und Schwarz ( genauer dunkelgrau ) an die Landesfarben? Dass das Weiß keine gute Idee war, hätte man an jedem ICE-Halt sehen können: Die Züge sind fast immer dreckig. Dabei haben sie kein Plumpsklo mehr, das den früher grünen Personenwagen oft einen Hauch ins Olive gab und dazu führte, dass man den Kindern einbläute, dass man sich nach einer Bahnfahrt die Hände waschen müsse. Damals musste man ja auch noch Türgriffe betätigen und nicht nur Knöpfe. Aber auch ohne diesen Exkrementenfilm auf den Fahrzeugen, sind sie meist dreckig, was man - wie jede Hausfrau weiß - auf Weiß besonders gut sieht.
Der letzte Wagen ist noch sauber…
Aber schlimmer als der Dreck, den man bei einer anderen Farbgebung weniger deutlich sähe, ist der werbende Schriftzug, der signalisieren soll, dass es das Land ist, das hier etwas „bewegt”. Nur hat man - als Gag - das erste „e” weg gelassen, so dass „bw” an das Land erinnern soll. Dass man „eggen” mit zwei „g” schriebe, lernen Schüler so nie, geschweige denn Sinn-entnehmendes Lesen. Das Dumme an solchen Spielchen ist, dass Humor den Ernst braucht, um richtig zur Geltung zu kommen. Schon Konfuzius mahnte vor etwa 2400 Jahren, dass man bei Worten keine Willkür dulden solle, weil sonst alles durcheinander käme. Als ehemaliger Lehrer müsste Ministerpräsident Kretschmann eigentlich wissen, dass für das Lernen gute Vorbilder wichtig sind. Wenn man als Erwachsener aber in Zeiten, in denen die Fähigkeit zum fehlerfreien Schreiben und erst recht zum sinnvollen Gestalten von Texten zurück geht, den Jugendlichen auch noch falsche Vorbilder gibt, dann ist das - vornehm formuliert - keine Meisterleistung. Dass Jugendliche mit der Sprache spielen, was auch dem Aneignen der Sprache dient, aber sie auch in Frage stellt, ist normal. Aber Erwachsene, die sich wie Pubertierende benehmen, das ist lächerlich, infantil und kein gutes Vorbild.
Wenn dann bei der neuen Kampagne gleich Denglish ( eine Melange aus Deutsch und Englisch ) mit im Englischen gar nicht vorhandenen Tüttelchen für einen Umlaut verziert wird, ist das nur noch albern. Wenn obendrein die Kampagne wild plakatiert wurde, z.B. an Ortsschildern, dann passt das überhaupt nicht zu einer verantwortungs-bewussten Regierung, sondern wirkt eher, wie ein dummer Bubenstreich, den die Werber aber als „ Guerilla-Marketing” zu verkaufen versuchten. Offenbar können sie es nicht besser.
Wenn sich der Bürger, und dazu gehören auch Kinder und Heranwachsende, nicht mehr darauf verlassen kann, dass die Regierung sich an die Gesetze hält und die Sprache fehlerfrei benutzt, ja warum sollen es dann Andere? Warum sollen sich junge Menschen überhaupt noch die Mühe machen fehlerfrei Schreiben zu lernen? Warum die fremden Sprachen richtig lernen, wenn selbst die Regierung es nicht kann, oder so tut, als ob das eine besondere intellektuelle Hochleistung wäre, die Sprache absichtlich falsch zu gebrauchen?
Das Wort „Witz” kommt, wie man an „gewitzt” noch ahnen kann von Geist und Wissen, also von Ernst und Bildung. Der Wortwitz ist ein Spiel mit Worten und ihrer oft vielfältigen Bedeutung, der aber nicht funktioniert, wenn man auf den nötigen Ernst, als Kontrast, verzichtet. Der Flugreisende, der mit der Stewardess geflirtet hat und sich dann verspricht, er sei mit der „Lusthansa” geflogen, das funktioniert, weil es Fakten durch die ( unabsichtliche ) Entstellung des Wortes verrät. - Das Lied von der schwäbischen Eisenbahn, in dem ein Bäuerchen das Tempo des neuen Verkehrsmittels unterschätzt und seinen Bock am letzten Wagen festbindet, damit er dort zum Ziel mitlaufe, was der arme Bock natürlich nicht kann, verbindet Ernst, den Verlust eines Bockes, mit dem Spott über den Bauern, der sein Handeln offenbar nicht genügend durchdacht hatte und dann noch den Schaffner beschimpft. Wer nichts ernst nimmt, hat auch nichts zu lachen.
Wie schon bei der letzten Kampagne, vermisst man auch diesmal den badische Landesteil. Keine Meisterleistung der Regierung in Stuttgart! Wie heißt es doch in der Bibel: „Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ Also an den neuen Zügen, wenn auch in ungeschickter Bemalung, oder am Bruch von Gesetzen ( wild plakatieren ), Grammatik und Sprache für 21 Millionen.
Dafür könnte man auch über 40 Wohnungen kaufen, oder die angestellten Lehrer in den Sommerferien bezahlen, statt sie arbeitslos zu melden, so dass das Arbeitsamt deren Unterhalt bestreiten muss ( das ist sicher keine Werbung, um Lehrer für Baden-Württemberg zu bekommen ), oder einen Teil der Steuernachforderungen bezahlen, die fällig wären, wenn man die Landesstiftung, die der Steuerhinterziehung dient, auflösen wollte, die sich heute um Liegenschaften des Landes kümmert und sie damit zugleich der Mitbestimmung des Landtags entzieht. Also es gäbe eine Menge zutun, um das Ansehen des Landes zu heben! Warum lässt man das alles liegen?
Und: Wozu eine Werbekampagne im Land, die Leute von außerhalb anziehen soll? Da hat man wohl die Zielgruppe verfehlt!
Beim Bild ganz oben ist auffallend, dass jemand nur dort geputzt hat, wo die Nummer des Fahrzeuges steht.