Fußball und Ausbeutung
Sollte Werbung die Menschen dumm machen?
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 30. Juni 2018
 
Der Deutsche Fußballbund und eine Automobilfirma aus Untertürkheim werben gemeinsam mit einem Spruch, der erstens dumm, zweitens Englisch ist und drittens eine scheinbar Sinn-freie römische Fünf enthält.
Die Behauptung, dass die Besten niemals rasten, ist so falsch, dass sie schon ein Steinzeitmensch belächelt hätte. Jeder Mensch braucht Schlaf, jeder Körper braucht Zeit um sich zu erholen, jeder Mensch braucht Pausen, um zu essen und zu trinken. Der Spruch ist also so offensichtlich falsch, dass man sich fragt, wie konnte er in die Werbung kommen?
Für die Automobilfirma ist das eine Anspielung auf ihren Gründer, der meinte, nur das Beste sei gut genug, was allerdings, wie der Dieselskandal mit einer riesigen Zahl von Rückrufen zeigt, schon lange nicht mehr gilt.
Die Firma hoffte vermutlich dass bei einem Weltmeister-Titel der deutschen Fußballer auch ein wenig Glanz auf sie abfiele und damit auch neue Käufer gewonnen werden würden.
Vielleicht wollte man auch die eigenen Mitarbeiter zu mehr Leistung motivieren und dem Mantra jener Wirtschaftsgurus folgen, das mittlerweile auch im Fußball nachgebetet wird, dass jeder sich als Marke gebärden solle und sich im ständigen Kampfe gegen alle Anderen durchsetzen müsse. „Jeder gegen jeden“ ist ein falsches Ziel. Die Menschheit hat Jahrtausende lang nur durch Miteinander und gegenseitige Hilfe überlebt. Wer die Menschen gegen einander aufhetzt, will sich auf ihre Kosten bereichern.
Der Traum ist, wie man weiß, früh ausgeträumt gewesen und das passt sehr gut zu dem törichten Spruch. Denn zur Höchstleistung kann nur jemand kommen, der weiß wann er zu rasten hat und wann er sich anstrengen sollte. Das weiß jeder Wanderer oder Bergsteiger.
Der Fußball hat diese „Idee der Markenbildung“ einiger Wirtschafts-Wissenschaftler, die wenig Ahnung vom Menschen und seinen Bedürfnissen haben, schon vor Jahren übernommen und seine Mannschaften vermarktet, um die Unsummen bezahlen zu können, ohne die dieser angebliche Sport offenbar nicht mehr existieren kann. Es geht aber schon lange nicht mehr um Sport und Spiel, sondern es geht um Geld und Ansehen und um die größtmögliche Ausbeutung der Fans und Sponsoren.
Der Sport Fußball könnte heute zum Vergnügen noch genau so gespielt werden, wie es vor Jahrzehnten die Kinder taten, indem sie im Unterhemd, oder mit bloßem Oberkörper gegen einander antraten (Hemmede gegen Neggede) und auch dann viel Spaß hatten, wenn die Torpfosten nur aus abgelegten Schulranzen, oder einer Garageneinfahrt bestanden. Da gab es selten ernsthafte Verletzungen, weil niemand einem anderen Mitspieler schaden wollte.
Die horrenden Honorare der Profifußballer haben das Spiel brutaler gemacht, was auch durch schützende Beinschienen und Ähnliches nicht besser wird. Es geht nicht mehr um den Spaß am Spiel und am Gewinnen und das Wissen, dass das Ganze ein Glücksspiel ist (wie die Mathematik belegt), sondern es geht darum seinen Markenwert als Verein oder als Spieler zu steigern.
Kein Wunder, wenn Vereine mit viel Geld häufiger zu den Siegern gehören, weil sie sich die besten Spieler kaufen können. Eine Garantie für Siege ist das allerdings auch nicht, denn Fußball ist ein Mannschaftssport. Und wenn die einzelnen Spieler, statt miteinander, jeder für sich spielen, um den eigenen Wert zu erhöhen, dann wird das nur selten und eher zufällig zu einem Erfolg führen.
Ein Teil der Faszination des Fußballs beruht auch darauf, dass überall auf der Welt kleine Jungen davon träumen als Fußballer berühmt und reich zu werden. Und für manchen ist der Fußball auch wirklich ein Sprungbrett, um der Armut und dem Elend zu entfliehen. Zudem erscheinen einem siegreiche Fußballer als Helden und Menschen sehnen sich nach Personen, die Außergewöhnliches leisten.
Fußball als Chance Karriere zu machen, dieses Bild wird durch die hohen Gagen der berühmten Spieler verstärkt, das die Fans und die kleinen Jungens träumen lässt. Was man nicht sieht, das sind die zig Tausend Spieler, die es eben nicht in eine Nationalmannschaft oder einen reichen Verein schaffen. Es wird selten deutlich, wie gering die Chance für den Einzelnen ist zu den gut bezahlten Fußballern zu gehören.
Diesen Menschen dann entgegen zu halten, dass sie deshalb nicht zu den Besten gehören, weil sie vernünftiger Weise auch mal rasten, ist eine Unverschämtheit, weil der inhaltlich falsche Werbespruch beim Einzelnen den Eindruck erweckt, er sei selbst schuld, wenn er nicht an die Spitze komme.
Das ist genau die Argumentation von Erfolgreichen, um einerseits sich selbst zu loben und den Erfolg zuzuschreiben und andererseits den Neid der Anderen abzuwehren, indem man ihnen sagt: Selber Schuld! Diesen Zusammenhang kennt die Sozialwissenschaft seit etwa 40 Jahren. Das Gegenteil ist der Arme, der die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Ursache seiner Armut benennt. Beides, eigene Leistung und Rahmenbedingungen, spielen aber eine Rolle. Der Arme hatte nie die Chance ein Millionenerbe zu verplempern, wie der Playboy.
Zu welcher Leistung ein Mensch fähig ist, das hängt einerseits von seiner Begabung, von seinem Körperbau, also von den Genen ab, aber andererseits eben auch davon, wie gut er gefördert wird und dadurch seiner möglichen Höchstleistung nahe kommt. Ein Contergan-geschädigtes Kind hatte nie eine Chance ein hervorragender Fußballer zu werden. Aber vielleicht konnte es andere Fähigkeiten entwickeln, die für andere Menschen genau so wichtig waren, wie Fußball.
Der Werbespruch grenzt alle aus, die es nicht an die Spitze schaffen können, oder denen es weniger auf eine Höchstleistung ankommt, als auf eine dauerhafte Leistung, wie sie in der Arbeit oder in der Familie viel wichtiger ist.
Der Werbespruch nennt ein falsches Ziel, nämlich der Beste sein zu müssen, obwohl es doch darauf ankäme für sich selbst und seine Mitmenschen die richtige Mischung aus Anstrengung und Entspannung zu finden. Was nützt der beste Fußballspieler der Welt, wenn er allein auf dem Feld steht?
Der Werbespruch ermahnt zur einsamen Höchstleistung, während für den Erfolg eines Menschen immer seine eigenen Fähigkeiten und seine Gabe diese mit seinen Mitmenschen so zu teilen, dass alle glücklich sind, entscheidend ist.
Die Werbung von DFB und Autofirma ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern sie fördert falsche Ziele: Ausgrenzung, Rücksichtslosigkeit, unsoziales Verhalten!
Natürlich kann es große Freude machen, wenn man eine Höchstleistung erreicht, sowohl für einen selbst, als auch für Andere. Aber dazu bedarf es einerseits guter Anlagen, die nicht alle haben können, sowie einer guten Förderung, die diese speziellen Fähigkeiten erkennt und eine Gelegenheit seine Höchstleistung auch zu erbringen.
Dazu braucht man Geduld, Ausdauer, Mut, Willen, aber eben immer auch ein Quentchen Glück und geeignete Mitmenschen oder Mitspieler. Krankhafter Ehrgeiz, Rastlosigkeit, Ruhelosigkeit dagegen sind fehl am Platz.
Dass weder beim DFB noch bei der Autofirma merkte, was für einen Unsinn sie da verbreiteten, lässt befürchten, dass sie selbst daran glauben. Kein Wunder, wenn die Firma Probleme mit Dieselfahrzeugen hat, und die DFB-Mannschaft nicht Weltmeister wurde. Falsches Denken führt zu falschen Ergebnissen.
 
 
 
falsch!