Alte Träume,
neue Träume?
Carl-Josef Kutzbach
Freitag, 16. August 2019
 
Auf einem Spaziergang entdeckte ich ein Haus, wie man es sich in den 50er Jahren erträumte, mit einer Garage für das Familien-Auto, einem Obergeschoss und drum herum Garten. Das schlichte Gartentor zwischen steinernen Pfosten, während sonst ein Jägerzaun das Grundstück begrenzt. Ob der Nadelbaum im Vorgarten mal ein Weihnachtsbaum war? Vielleicht im Advent elektrisch beleuchtet?
So ein „Häuschen im Grünen” erträumte ich als Kind für meine Eltern und versuchte es mit Bausteinen zu bauen. Die Familie, die hier mal gewohnt hat, gehörte wohl zu jenen, die es sich damals leisten konnten ihren Traum zu verwirklichen.
Aber jetzt sind sie tot, oder im Altenheim und das Haus liegt im Dämmerschlaf. Ob es von „seiner guten alten Zeit” träumt? Als Kinder das Haus bevölkerten, Freunde einluden, im Garten spielten…
Offenbar will niemand mehr dieses „Traumhaus” haben, denn eine Baureklame verkündet: „
 
Hier werden Träume gebaut”.
Hier werden alte Träume beerdigt und neue gebaut. Das bedeutet wohl Abriss der alten Villa und Bau eines Mehrfamilien-Hauses, wozu das Grundstück „ausgemostet” werden wird, das heißt, der Garten verschwindet weitgehend und das neue größere Gebäude nutzt soviel vom Grundstück, wie es der Bebauungsplan grade noch zulässt mit Tiefgarage im Untergeschoss und Zufahrt durch den ehemaligen Garten. Manchmal geht man auch über das Zulässige hinaus und zahlt dann die verhängte Strafe (z.B. für zu wenige Auto-Abstellplätze), hat aber erreicht, was man wollte und daran gut verdient. Auch das ist ein Traum und zwar der des Investors.
Ob sich der ursprüngliche Erbauer des Hauses das wohl hätte träumen lassen, dass weder die eigenen Kinder noch sonst jemand das sorgfältig und liebevoll gestaltete Haus mehr haben will? Damals war der Bau eines Hauses noch etwas, das weit über das eigene Leben hinaus gedacht war. Bauernhäuser brachten es oft auf ein paar hundert Jahre und wurden bei Bedarf eben umgebaut. Aber diese Häuser der besser Verdienenden aus der Nachkriegszeit sind heute nicht mehr so Gewinn bringend, wie ein Neubau. Also werden sie zu „Wegwerfhäusern”, selbst wenn die Bausubstanz noch gut ist. Dass der Neubau eine bessere Bausubstanz haben wird, darf man bezweifeln, denn die dürfte, wie einige Geschäftsgebäude, nur auf eine Standzeit ausgelegt sein, die der Abschreibung oder der Gewährleistung entspricht.
So kann ein Investor in einem Viertel Jahrhundert das Haus erneut abreißen und ein neues hin stellen, an dem er wieder verdient. Dass dabei jeweils menschliche Arbeitskraft entwertet wird und die Natur rund ums Haus auf der Strecke bleibt, das interessiert den Investor nicht und ärgert höchstens die Nachbarn, die Dreck und Lärm ertragen müssen.
Aber wo führt das hin? Wenn Wohnhäuser nur noch wenige Jahrzehnte genutzt werden, muss man deren Kosten auf diese wenigen Jahrzehnte umlegen und das Wohnen wird teurer als nötig. Zugleich bedeutet das, dass man alle paar Jahre den Abriss und Neubau eines Nachbarhauses (drei auf der anderen Straßenseite, eins rechts, eins links und drei in der nächsten Baureihe) erdulden muss, aber das Klima im Viertel sich verschlechtert, weil immer weniger Grünflächen übrig blieben.