Kunst, Hundemarke oder Geschmiere
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 9. Dezember 2021
 
Nicht alle, die Wände bemalen, können das so gut, wie Bansky. Manche wollen auch gar keine Kunst machen, sondern nur ihre Marke hinterlassen, als Zeichen, dass es sie gibt und sie bemerkt werden wollen. Das kann ähnlich, wie bei markierenden Hunden dazu dienen ein Revier zu reklamieren, so dass es vorkommt, dass A die Marke von B durchstreicht und seine daneben setzt. Das ist so ähnlich, wie bei Hunden, die ihre Duftmarke ( Urin ) überall zu hinterlassen versuchen.
Das hat aber mit Kunst nichts zu tun, sondern verrät, dass sich dieser Mensch außerhalb der Gesellschaft sieht und daher meint rücksichtslos alles beschmieren zu dürfen. Solche Zeichen der Ichbezogenheit und Unfähigkeit das Gut Anderer zu achten, sind ein Hinweis darauf, dass es der Gesellschaft und diesen Menschen nicht mehr gelingt zu einem gedeihlichen Miteinander zu kommen.
Diese „Hundemarken”-Setzer achten auch nicht die Werke anderer, sondern setzen ihr Zeichen frech drauf. Egal, ob da Schüler einen Unterführung künstlerisch gestaltet haben, weil sie die wenig reizvollen Schmierereien nicht mehr sehen wollten, oder Erwachsene sie dazu anstifteten, oder ob es um ein künstlerisch gestalteten Kiosk geht, bei dem man die Nase voll hatte von immer neuen Schmierereien und Vandalismus. Hier nutzte z.B. an der Helfferichstraße ein Schmierer die nächtliche Ausgangssperre wegen Corona um sein Zeichen auf eine bemalten Wand zu setzen, so dass das Bild dahinter verschwand. Dass der Mensch damit einen großen Teil der Nachbarschaft gegen dich aufbrachte, so dass er nur dank seiner Anonymität den Konsequenzen seines Tuns entging, zeigt, dass es um eine gesellschaftsfeindliche Grundhaltung geht, die zugleich Zeichen für eine misslingende Kommunikation, aber auch für Verantwortungslosigkeit setzt, denn man will ja nicht erkannt und zu Schadensersatz heran gezogen werden.
Der Übergang von den Hundemarken-Setzern zu denen, die künstlerisch etwas ausdrücken ist vermutlich fließend, denn mancher, der mit Kritzeleien anfing, merkt im Laufe der Zeit mit zunehmender Übung, dass er oder sie mehr kann, als nur rasch ein Zeichen zu hinterlassen. Vermutlich trennt sich die Spreu vom Weizen, sobald das Werk zur Arbeit wird, die man vorbereiten, planen, skizzieren und dann umsetzen muss. Diese Mühe dürfte manchen zu viel sein, weil natürlich auch beim Anbringen solcher umfangreichen Werke die Gefahr wächst erwischt zu werden.
Wenn man sich Flächen anschaut, die zum Bemalen frei gegeben wurden ( z.B. die „Hall of fame” = Ruhmeshalle unter der König-Karlsbrücke in Cannstatt ), dann bemerkt man, dass Einige der dort Aktiven den Wert von Regeln und Grenzen nicht verstanden haben, denn sie meinen auch die Nachbarschaft der frei gegebenen Fläche beschmieren zu müssen.
Es sind also bei einem Teil der Szene starke antigesellschaftliche Neigungen da, die sich wenig um die Inhalte oder den künstlerischen Wert kümmern, sondern es mehr darauf abgesehen haben ihr Zeichen möglichst dreist irgend wo zu platzieren, wo es vor ihnen noch niemand gewagt hat.
An solchen Grenzüberschreitungen ist auch die Werbung nicht unschuldig. Wenn bei Bussen und Bahnen nicht nur die dafür vorgesehenen Flächen mit Werbung bemalt werden, sondern auch die Fenster, so dass die Fahrgäste nur schlecht nach draußen sehen können, dann ist das ein schlechtes Beispiel, das bei einem Teil der Szene gerne nachgeahmt wird, indem man auch bei S-Bahnen seine Zeichen sowohl auf dem Lack, als auch auf den Fenstern hinterlässt. Nur verdient die Werbung mit ihrem Tabubruch ( Fenster sind zum Hindurchschauen ), der Aufmerksamkeit erregen soll, Geld, während die Schmierer es nur auf die Aufmerksamkeit anlegen.
Ebenfalls nicht unschuldig sind die Straßenbauarbeiten, bei denen nicht mehr - wie früher - ein Plan gelesen wird und dann die Markierungen für die jeweilige Arbeit mit Kreide oder Wachskreide angezeichnet werden, sondern man benutzt Sprays, die lange Zeit, oft mehrere Jahre halten. Wenn die dann noch, wie im Bild auf erst kürzlich sanierte Flächen aufgetragen werden, frag sich der Laie, ob auch beim Bau manche Wert darauf legen möglichst lange sichtbare Spuren zu hinterlassen. Oder ob das lesen von Plänen nicht mehr zu den notwendigen Grundkenntnissen gehört.
 
Dass die Fahrzeuge der SSB fast nie mit Schmierereien im Straßenbild auftauchen, kommt daher, dass die Fahrzeuge normalerweise nicht eingesetzt werden, wenn sie beschmiert wurden, so dass sie keine Aufmerksamkeit für den Täter erzeugen können. Daher sind die Fahrzeuge als Ziele von Hundemarken-Setzern nicht lohnend, da jedes Zeichen vor der nächsten Fahrt wieder beseitigt wird.
Dieser Kiosk wurde mit Erlaubnis mit Bildern aus der Nachbarschaft verschönert.
Währe
Während der nächtlichen Ausgangssperre wegen Corona 2020/21 wurde dieser Kiosk von einem „Hundemarken-Setzer” verschmiert. Die Nachbarschaft war empört. Durch einen Umbau des Kiosks ist das Geschmiere längst verschwunden.
Insgesamt könnte man die Zunahme der unkünstlerischen Zeichensetzung als Hinweis darauf deuten, dass die Beziehung zwischen diesem Menschen und der Gesellschaft gestört ist, was mit der zunehmenden Ungleichheit und der Spaltung der Gesellschaft zusammen hängen dürfte. Es müssten sich daher eigentlich beide Seiten bewegen: Die sich als Ausgestoßene erlebenden müssten eine Beziehung zu der Gesellschaft aufbauen, in der sie zwangsläufig leben; und die Gesellschaft müsste darauf achten, dass sie keinen Menschen an den Rand oder ins Abseits drängt. Anders wird sich die Zunahme von Schmierereien und Vandalismus nicht bremsen, oder sich auf künstlerische Arbeiten beschränken lassen.
Bild oben: Garagen, die mit Erlaubnis des Besitzers verziert wurden. Kein Bansky, aber immerhin.