Das Ding war Beil, Hammer, Zange, Schraubendreher, Kapselheber und noch Allerlei, an das ich mich nicht erinnere. Aber wir Kinder merkten bald, dass diese Kombination - ein Werbegeschenk an einen der Väter - nicht wirklich praktisch war. Hämmerte man, lag der Zangengriff nicht gut in der Hand, schraubte man war das Beil im Weg und so weiter. Ähnlich ist es mit Taschenmessern, angefangen vom berühmten „Schweizer Armeemesser“ mit roter Griffschale, das es so – wie mir ein Schweizer versicherte, beim Militär nicht gibt – bis hin zu Mobiltelefonen und anderen Computern.
Jeder Handwerker weiß, dass Werkzeuge am Besten funktionieren, die für einen bestimmten Zweck entwickelt wurden, oder sich dafür im Laufe von Generationen in kleinen Schritten entwickelten. Bei vielen Werkzeugen ist die Form seit Langem weitgehend gleich geblieben, weil sie sich als richtig oder günstig erwiesen hat. Schon mein Großvater hatte Schraubendreher mit Tropfen-förmigem, ergonomisch günstigem Griff aus Holz und Metall.
Das „Sackmesser“, wie die Schweizer das Taschenmesser nennen, ist natürlich ein guter Notbehelf, wenn man sonst nichts hat, aber eben auch nur das. Wer eine größere Arbeit verrichten will, wird auf geeignetes Werkzeug Wert legen, eben weil es sich damit einfacher arbeitet. Wer viele Schrauben mit der Hand eindrehen will, der wird eine Rätsche nehmen, oder – falls es das Werk verträgt – einen Akkuschrauber. Viele Schweizer Soldaten haben sogar zwei Sackmesser, eines um damit zu arbeiten, und eines für den Appell zum Vorzeigen eines einwandfrei sauberen Sackmessers, sagten mir Schweizer.
Schaut man sich die Entwicklung der Digitsalisierung und der Mobilfunkgeräte an, dann begann das 1984 mit dem Kasten „Macintosh“ von Apple, für den es ein Schreibprogramm, ein Mal- und Zeichen-Programm und – falls ich nicht irre – auch ein Datenbankprogramm auf Diskette gab. Im Laufe der Zeit kamen bei den Rechnern, die meist einen zusätzlichen Drucker, eine Tastatur und eine Maus erforderten, Spiele, die Bearbeitung von Bildern und Tönen, das Abspielen von Musik, die Verbindung mit dem Internet, E-mail und Anderes, je nach den benutzten Programmen hinzu. Ganz ähnlich, wie beim Taschenmesser zu den Klingen, Dosenöffner, Säge, Korkenzieher, Schraubendreher, Feile, Pinzette, und Schere hinzu kamen.
Die Entwicklung bei den Rechnern verlief, wenn ich recht erinnere so, dass zunächst im amerikanischen „Silicon Valley“ ICs (integrated curcuit; integrierte Schaltkreise) entwickelt wurden, also Bauteile, bei denen eine bestimmte Schaltfunktion eingebaut war. Der frühere Chippabst Prof. Queisser erzählte, dass dort mal ein Forscher in die kleine Kantine kam und fragte: „Wisst ihr, was die mit unseren ICs machen?“ Niemand wusste es, und er stöhnte entsetzt: „Spielautomaten!“
Das ist nicht überraschend, denn die Menschen haben oft durch spielerisches Ausprobieren neue Ideen entwickelt, wie das auch manche Tiere tun. Aber bemerkenswert ist, dass man offenbar gar nicht wusste, was man mit den neu entwickelten ICs anfangen sollte. Die Chips von Computern sind im Grund nicht viel anderes als eine Menge Schalter auf kleinem Raum.
In den 70er Jahren fand man dann das „IC“ als Symbol moderner Technik auf allen möglichen Geräten, auch, wenn sich der Laie darunter wenig vorstellen konnte. Damit Maschinen mit Rechnern oder Integrierten Schaltungen zusammen arbeiten konnten, lag es nahe eine alte Idee wieder aufzugreifen, die Beschränkung auf zwei Zahlen „0 und 1“, die für zwei Zustände stehen: Strom fließt, oder Strom fließt nicht. Jeder Lichtschalter arbeitet mit diesen zwei Zuständen „An“ oder „Aus“. Das ließ sich also technisch gut nutzen. Auch das Morse-Alphabet scheint aus Zweierlei, dem Punkt und dem Strich zu bestehen, wobei man übersieht, dass es unbedingt als drittes Element die Pause zwischen zwei Zeichen benötigt. Diesem Takt entspricht auch der Takt eines Rechners, der Aufgaben eben nur in einem bestimmten Takt erledigt. Erst als dieser Takt schnell genug war, konnte man aufwändigere Aufgaben, wie die Bearbeitung von Bildern oder Musik so bewerkstelligen, dass es der Mensch nicht merkt.
Bis dahin benutzte man Fotoapparat, Filmkamera, Radiogerät, Schallplatte, Tonband, Schreibmaschine, Filme, Tonbänder, Plattenspieler, Tonbandgeräte, Kassetten, Radiogeräte, Fernseher, Fernschreiber, Telefon, Funktelefon, Fax und weitere Geräte und Techniken. All das wanderte im Laufe der Zeit mit weiteren neuen Techniken (GPS = Global Positioning System; System aus Satelliten, das die Standortbestimmung erlaubt) in die Rechner hinein. So wurde der Rechner zum Allzweckwerkzeug. Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, als bei einer Veranstaltung die Musik nicht mehr von Tonträgern, sondern von einem Laptop erklang.
Es war mit diesem Allzweckwerkzeug ein Wandel der Bearbeitung verbunden, da Vorgänge, die man früher selbst schuf, etwa Musik mit Instrumenten und Stimme zu machen von dieser analogen auf eine digitale Ebene verlagert wurde. Schon bei der Musikspeicherung auf CD gab es Bedenken, dass diese digitale Form, die nur ja und nein, 1 und 0 kennt, dadurch das Wesen von Musik und ihren vielen Schattierungen, fließenden Übergängen und Stimmungen nicht wirklich abbilden könne, so ähnlich, wie man mit Bauklötzen eben keine fließenden Kurven bauen kann. Bei den ersten Drumm-Programmen, die den Schlagzeuger ersetzten, gab es das Problem, dass sie zu perfekt waren, während ein Mensch immer kleine Unregelmäßigkeiten produziert. Auch die werden mittlerweile vom Programm erzeugt. Das bedeutet man treibt einen erheblichen Aufwand, um Menschen durch Programme zu ersetzen. Programme, die man, da sie digital sind, beinahe unendlich oft kopieren kann, was sie für viele Menschen verfügbar macht.
Nicht nur die Bearbeitung hat sich also verändert, sondern auch die Produktion von Kopien. Es ist einfach geworden irgend etwas zu kopieren. Aber diese Kopien sind auch sehr flüchtig, da sie stets davon abhängen, das man über das richtige Programm verfügt und das dafür nötige Gerät hat, sonst sind sie unzugänglich. Man stelle sich vor Schiller, oder irgend ein Maler hätten nicht analog gearbeitet, sondern digital, dann wären die allermeisten ihrer Werke verloren und nicht mehr zugänglich, weil man die Werke nicht mehr hätte, sondern bestenfalls Daten-Träger auf denen sie gespeichert wurden, die aber heute niemand mehr (mit vernünftigem Aufwand) auslesen und sichtbar machen könnte. Damit ging das Original und sein Wert verloren. Von einem auf dem Rechner geschriebenen Gedicht gibt es kein handschriftliches Original, sondern nur eine Datei mit dem frühesten Erstellungsdatum und auch das kann verändert worden sein.
Wenn früher Kinder sich in einem Brief an die Großeltern für ein Geschenk bedanken wollten, malten sie, sofern sie noch nicht schreiben konnten, ein Bild, das die Eltern einem Brief beilegten. Das dauerte eine ganze Weile, während der die Gedanken zwischen dem Kind und den Großeltern, für die es das Bild malte, hin und her wanderten. Heute kommt es vor, dass sie diesen Dank im Nu erledigen, indem die Eltern ein Foto machen, oder das Kind beim „Dankeschön-Sagen“ filmen und das dann den Großeltern senden. Damit verlagert sich der größte Teil der Arbeit vom Kind auf die Eltern und geht natürlich schneller, als früher. Auf der Strecke bleibt die gedankliche Beschäftigung mit dem anderen Menschen.
Die Verlagerung so vieler Fähigkeiten und Tätigkeiten in ein Allzweckwerkzeug führt dazu, dass sie zwar den Käufern zur Verfügung stehen, diese in den meisten Fällen aber damit nicht umzugehen gelernt haben. Ein Programm mit dem man Grafiken erstellen kann, ersetzt keine Ausbildung zum Grafiker. Ein Schreibprogramm führt weder zum Fehler-freien Schreiben, noch dazu, das der Benutzer zum Schriftsteller wird. Die eingebaute Kamera macht aus dem Knipser noch lange keinen Fotografen, oder aus dem Amateuerfilmer einen Kameramann. Das bedeutet, dass die Vielfalt der angebotenen Möglichkeiten in den meisten Fällen vom Benutzer nicht beherrscht wird, so dass sehr oft minderwertige Ergebnisse entstehen. Die Profis und die etwas selbstkritischeren Menschen wissen genau, dass sie den größten Teil der verfügbaren Programme nie brauchen und nie wirklich beherrschen werden und sind daher ständig unsicher, ob sie auch das gewünschte Ergebnis bekommen werden. Ein Fotograf gestand mir, dass er nur 15% des Bildbearbeitungsprogramms „Photoshop“ benutze und ein Buchgestalter klagte, dass er immer etwas unsicher sei, ob das, was er machen wolle vom Layout-Programm auch beherrscht werde und ob er die dafür nötigen Arbeitsschritte auch finden werde, und das bedeute für ihn bei der Arbeit Stress, auf den er gerne verzichten würde.
Die meisten Handwerker schaffen sich keine Werkzeuge an, die sie nicht wirklich brauchen, schon allein, weil man in der Werkstatt dafür Platz bräuchte und sie aufräumen und pflegen müsste. Auch das scheint beim Allzweckwerkzeug Rechner nicht mehr nötig zu sein, zumindest so lange nicht, bis mitten in der Arbeit die Druckerpatrone leer ist, das Papier fehlt, ein Stecker wackelt, der Strom ausfällt, die Maus verdreckt ist, der Bildschirm aufgibt, der Drucker streikt, die Leitung tot ist, das Internet lahmt, oder irgend welche unerwünschten Zeichen von einem Schadprogramm auftauchen. Es ist eigentlich ganz logisch, dass die Gefahr des Versagens wächst, wenn man immer mehr Tätigkeiten und Anwendungen auf einem einzelnen Gerät vereint.
Ein weiteres Problem des Allzweckwerkzeugs ist, dass es zwar scheinbar unendlich viel kann, dass es aber damit auch unendlich viele Fehlerquellen bietet (Hardware und Software). Spätestens sobald man damit auch das Konto führen und Einkaufen konnte, war die Gefahr groß, dass sich Kriminelle für diese Möglichkeiten interessierten. Meinte ein Autor im letzten Jahrhundert, es sei klüger eine Bank zu gründen, als eine zu überfallen, so werden heute von Hackern einfach die Geldströme umgeleitet, oder Firmen erpresst.
Es ist nicht überraschend, dass ein Werkzeug, mit dem fast alle Firmen arbeiten, auch eine Art Generalschlüssel darstellt, mit dem sich Kriminelle Zugang zu Patenten oder Geld verschaffen können. Logischer Weise benutzen die meisten Firmen und Behörden die gleichen Geräte und Programme, so dass man sich mit ein wenig Fleiss ziemlich rasch überall auskennen, und damit enormen Schaden anrichten kann. Kein Wunder, dass heute sehr viel Aufwand für den Schutz von Geräten und Programmen getrieben wird (Passwörter, Virenscanner, Firewall, Virtuelle private Netze, gesicherte Verbindungen und Programme, um die vielen Passwörter zu verwalten). Das ist die Schattenseite der Vielseitigkeit, sie eröffnet Kriminellen fast ein Paradies.
Da der Aufwand für den sicheren Betrieb der Geräte und Programme ständig wächst, sinkt ihre Wirtschaftlichkeit. Da man meint immer mehr Daten über die Leitungen schicken zu müssen, wächst natürlich auch der Energieverbrauch und das Volumen der Leitungen und damit der Verbrauch an Rohstoffen.
Allein der vorige Abschnitt ergibt beim Versand als html-E-mail drei mal so viel Daten, wie wenn man ihn als reinen Text versendet. Bedenkt man wie viele Fotos heute versendet werden, wie viele Klänge und Filme, dann wird deutlich welche riesigen Mengen an Daten dafür bewegt werden müssen. Und das zuweilen für Nebensächliches. Der Gedanke der „Datensparsamkeit“ ist den meisten Benutzern fremd, zumindest seit man für viele Geräte Pauschalangebote (flat rates) nutzt, bei denen sich Sparsamkeit kaum bezahlt macht.
Das Allzweckwerkzeug Rechner führt also nicht nur zu handwerklich schlechteren Ergebnissen, sondern verbraucht auch mehr Energie und Rohstoffe, egal, ob man ihn über einen Router und Leitungen betreibt, oder mit einem Smart-Phone (eine Kreuzung von Rechner und Mobiltelefon) und über Funknetze. Bei der Nutzung über Leitungen dürfte der Energieverbrauch geringer sein, weil nur dann Datenpakete über die Leitung reisen müssen, wenn man das wirklich braucht und man ansonsten den Rechner vom Internet trennen kann. Beim Smart-Phone müssen die Stationen des Funknetzwerkes ständig in Betrieb sein, damit jederzeit eine Verbindung aufgebaut werden kann und das Netzwerk jederzeit Anrufe oder Daten an das Gerät senden kann, wofür es ständig prüft, in welcher Funkzelle es sich aktuell befindet. Nur wenn man das Gerät ausschaltet (und damit aus dem Netz nimmt) sinkt der Energieverbrauch im Netz ein wenig und der vom Gerät ebenfalls. Die meisten Leute lassen ihre Geräte daher ständig eingeschaltet, auch, wenn sie sie nicht benutzen.
Ein analoges Gerät – Musikinstrument, Wachmaschine, Staubsauger – braucht keine Energie, wenn man es nicht benutzt. Digitale Geräte (Internet der Dinge, Alexa) neigen dazu ständig Energie zu benötigen, eben weil sie sich jederzeit mit irgend einem Server (Datenspeicher) verbinden können oder müssen. Das gilt ebenfalls für das Speichern von Daten in einer Wolke (cloud), also auf Datenspeichern, die irgend wo in der Welt stehen und riesige Mengen Energie verbrauchen. Speichert man die Daten dagegen auf dem heimischen Rechner, oder einer weiteren Festplatte, müssen sie nicht um die halbe Welt reisen, und sind dabei zudem nicht in Gefahr von interessierten Kriminellen abgefangen und missbraucht zu werden.
Allerdings zahlt man für den Rechner und die Festplatte den Strom selbst, während die Datenspeicher im Internet scheinbar kostenlos sind. Das ist allerdings ein Trugschluss, denn irgend wer muss das ja bezahlen und die Firmen, die das anbieten, wären schlechte Kaufleute, wenn sie sich ihre Dienste nicht bezahlen ließen. Da man allerdings im Internet oft nicht mit Geld, sondern mit Daten oder Aufmerksamkeit für Werbung bezahlt, scheint es oft so, als ob solche Angebote kostenlos wären. Das ist ein Irrtum, den die beteiligten Firmen gerne fördern, denn nur so können sie ihre Interessen durchsetzen, indem sie sich als „Weißer Ritter“ darstellen, auch wenn sie in Wirklichkeit „Schwarze Ritter“ sind, die die Menschen anhängig machen, die Demokratie gefährden, und den Klimawandel durch den enormen Energieverbrauch anheizen.
Das Bild ganz oben zeigt ein Werkzeug für Skifahrer, das in die Hosentasche passte, das untere zwei alte, aber schon ergonomisch richtige Schraubendreher.