Enteignung
des öffentlichen Raums
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 10. August 2024
 
Der Stuttgarter Schlossplatz ist jetzt mehr als zwei Monate ( 10. Juni bis 10. August ) lang für den Bürger gesperrt, es sei denn, er zahlt Eintritt zu den dort stattfindenden Veranstaltungen ( EM, Jazz Open ). Danach müssen der Rasen und die Blumenbeete wieder hergestellt werden, die man „abgeräumt” hatte, damit sie nicht unter der Abdeckung faulen und stinken. Dass man danach nicht sofort wieder im Grünen sitzen oder liegen kann, kennt der Bürger schon von der früheren Eisbahn, die jetzt als Rollschuhbahn aufgebaut wird, vor allem, um an den Ständen davor mit Essen und Trinken Umsatz machen zu können. Jedes Frühjahr wird dort nach dem Abbau neuer Rollrasen verlegt.
Dass dieser Umgang mit den Bürgern ( aussperren ) und vor allem der Natur ( ex und hopp ) fragwürdig ist, habe ich schon 2013 beschrieben. Link: Ein schlechtes Beispiel
Mein Urgroßvater war 1863 vom Stuttgarter Schlossplatz begeistert, der damals noch neu war, und den man vom damaligen Bahnhof in der Bolzstraße mit wenigen Schritten erreichte.
Heute dagegen wird diese „gute Stube” der Stadt alle naslang für den Bürger gesperrt, obwohl der Platz bei den Bürgern recht beliebt ist. Auch Touristen konnten jetzt zwei Monate lang im Sommer, also der Hochsaison, den Platz nicht genießen, eben weil er abgesperrt ist. Dafür stehen die Fahrzeuge der Mitarbeiter der Ministerien, die sonst im Schlosshof parken, nun im Schlossgarten.
Dabei halten wenige Meter weiter die Straßenbahnen und Tiefgaragen gäbe es in der Nähe auch, in denen die Fahrzeuge parken könnten. Da geben einige Großkopfete den Bürgern ein schlechtes Beispiel.
Dabei ist der Schlossplatz nur ein Beispiel von vielen. Auch die "Pariser Höfe" auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs sind eine so genannte "Gated community" ( eine abgeschlossene Gemeinschaft, in die nur Mieter und deren Gäste hinein dürfen ),
und auch an der „Killesberg-Höhe” prangen Schilder, dass das Privatgrund sei und man sich den Regeln des Besitzers zu fügen habe.
Ähnlich ist es bei den Einkaufszentren Gerber ( in dem man nicht fotografieren darf ) und dem Milaneo, wo ebenfalls mit dem Hausrecht gedroht wird.
Da wohl niemand sich die Mühe macht solche ausführlichen Texte zu lesen, dienen sie vor allem der juristischen Absicherung und der Einschüchterung der Besucher.
Beim Auf- und Abbau fahren schwere Lastautos auf Gehwegen und Fußgängerzone, so dass man sich über den schlechten Zustand des Pflasters nicht wundern muss.
Es werden immer mehr Flächen der Öffentlichkeit entzogen und dem Nutzen privater Investoren überlassen. Damit geht öffentlicher Raum verloren. Damit verliert die Stadt nicht nur an Einfluss, sondern auch an Attraktivität und wundert sich, wenn die Innenstadt verödet.
Wer die Königstraße entlang geht, trifft vielleicht noch eine Handvoll alteingesessener Fachgeschäfte, aber ansonsten vor allem kleine Läden, die Ramsch, Essen zum Mitnehmen, Telefone und billige Waren anbieten, die bald im Müll landen werden. Nahe dem Bahnhof gibt es noch ein Kaufhaus, das aber auch seit Jahren ums Überleben kämpft. Gegenüber auf dem ehemaligen Marstall-Gelände wird demnächst gebaut, so dass die untere Königstraße Jahre lang nur noch wenig zu bieten hat, nur Lärm und Dreck. Schon jetzt sind die Pop-up-Läden keine Zierde, aber immerhin noch besser als Leerstand, wie er in der Stadt um sich greift ( Benko und andere „Investoren” lassen grüßen ).
Gebt die Stadt und den Schlossplatz den Bürgern zurück!
 
 
Das Bild ganz oben zeigt den Schlossplatz nach dem Aufbau für die EM am 10.Juni 2024.