Der Minister A. fordert jetzt - zwei bis drei Wochen vor dem Beginn der Bonpflicht für alle Kassen - diese Bonpflicht zu verändern, als wäre sie nicht vor drei Jahren beschlossen worden. Hintergrund der Bonpflicht ist, dass an Kassen nicht mehr so viel Steuern hinterzogen werden sollen, da die modernen Kassen eine Art Tagebuch aller Ein- und Ausgaben führen, das das Finanzamt lesen kann. Die Summe der hinterzogenen Steuern an Kassen soll 10 Milliarden betragen. Dadurch, dass jedem Kunden ein Bon ausgehändigt werden muss, würde dieser Kauf in Zukunft auch im Kassenjournal (Tagebuch) erfasst und müsste versteuert werden.
Die Einwände gegen diese Bonpflicht sind eine große Menge Müll, da die Kunden die Bons oft nicht wollen. Zudem sind viele Bons auf einem Papier gedruckt, das auf Wärme reagiert und recht rasch verblasst. Dazu kommt, dass dieses Papier im Verdacht steht Krebsfördernde Stoffe zu enthalten, also die Gesundheit von Kassierenden und Kunden gefährden könnte. Nur das war vor drei Jahren auch schon bekannt.
Bei den Händlern gibt es einerseits die Sorge, dass sie eine neue Kasse brauchen könnten und in Zukunft mehr Papierrollen für Bons verbrauchen werden, was Geld kostet. Andererseits könnte es sein, dass vor allem kleine Läden, die am Rande der Wirtschaftlichkeit leben, nun schließen müssen, weil der Aufwand für eine neue Kasse (mehrere 100 Euro) und der Wegfall von unversteuerten Einnahmen ihre Kalkulation ins Minus treiben. Wer ein wenig Bescheid weiß, kennt vermutlich mehrere Läden, Kioske und Restaurants, die vom Umsatz her nicht überleben können, sondern darauf angewiesen sind, dass ein Ehepartner anderswo gut verdient, weil der Laden zu wenig abwirft. Aber auch das (Unredlichkeit und Steuerflucht um zu überleben) war schon vor drei Jahren so, als das Gesetz beraten und beschlossen wurde.
Was ist da schief gelaufen? Formal betrachtet wurde das Gesetz (die Vorschrift, Richtlinie o.Ä.) vor drei Jahren beraten und verabschiedet, obwohl die Bedenken schon damals bekannt gewesen sein dürften, oder aber es Pflicht des Parlamentes gewesen wäre sich vor der Beratung und Abstimmung zu informieren, welche Wirkung das Gesetz haben könnte.
Dazu hätte auch gehört, dass das geplante Gesetz in den Medien vorgestellt und erörtert hätte werden sollen, damit alle Bürger sich eine eigene Meinung bilden, oder ihre Einwände vorbringen könnten. Das scheint nicht in ausreichendem Maß geschehen zu sein, was angesichts der Qualität vieler Medien wenig wundert, aber auch, weil sich viele Leute nicht mehr aus Zeitungen oder Fachzeitschriften informieren, sondern sich im Internet von „Nachrichten-Sammlern” mit dem beliefern lassen, was sie vermutlich interessieren könnte. Dass dabei Vieles sie nicht mehr erreicht, weil das Rechenverfahren (Algorithmus), das ihre Interessen gespeichert hat, eben gar nicht alle Interessen kennt, wundert wenig. Die Folge ist, dass man über die Unübersichtlichkeit der Welt klagt, obwohl man sich auf Medien verlässt, die keineswegs die Interessen der Kunden im Auge haben, sondern vor allem den eigenen Verdienst. Viele Medien versuchen heute möglichst billig ihre Seiten oder Sendeplätze zu füllen und die Kunden zu fesseln, statt ihnen zu dienen, so dass sie sich rasch eine Übersicht über alles Wesentliche verschaffen könnten, wie früher durch die Überschriften der Zeitung. Heute sollen Überschriften neugierig machen, nicht informieren. Kurz neben den Parlamentariern sind auch die Medien Schuld, die den Bürger unzulänglich informieren.
Aber auch der Bürger hätte sich – falls er davon Kenntnis gehabt hat – schon bei der Gesetzgebung zu Wort melden und seine Einwände vortragen müssen. Entweder selbst, oder durch seine Interessenvertretung, etwa Berufsverbände, Handwerks- und Handelskammern. In einer Demokratie kann die Politik nur so gut sein, wie die Information, die die Bürger der Politik geben. Nur alle paar Jahre zur Wahl zu gehen genügt nicht.
Wer hier im einzelnen wann seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, spielt jetzt keine Rolle mehr, denn der Vorgang wiederholt sich leider ziemlich häufig. Egal ob bei Gesetzen zum Schutze der Umwelt (strengere Grenzwerte und weil der Staat es selbst nicht tat, von Gerichten verordnete Fahrverbote), oder beim Verlottern lassen der Infrastruktur (ungepflegte Bahnhöfe, stillgelegte Strecken, Funklöcher, Straßenschäden, marode Schulen), also bei vielen Dingen, bei denen man ganz gut im Voraus wissen könnte, wann welche Reparaturen fällig werden.
Statt dessen hofft man, dass schon nichts passieren werde und verschiebt die Pflege der Infrastruktur in die Zukunft, was dann teurere Maßnahmen erfordert. Oder man hofft, dass eine neue Technik die alte marode Technik ersetzen werde, es sich also jetzt nicht mehr lohnt die alte zu pflegen. Zudem wird die Infrastruktur immer stärker belastet (mehr Verkehr), so dass sie immer öfter an Grenzen kommt und das System immer öfter nicht mehr zuverlässig funktioniert (Stau, unpünktliche Bahn und unpünktliche Flieger).
Dass dem Minister A. jetzt Probleme bewusst werden, verrät seine lange Leitung, aber auch, dass alle Beteiligten es nicht geschafft haben sich rechtzeitig darüber zu informieren und darum zu kümmern. Auch sie haben eine lange Leitung. Der Bürger muss also davon ausgehen, dass in vielen Fällen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien weder rechtzeitig, noch mit der nötigen Sorgfalt geschaffen werden. Das Scheitern zu vieler Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht spricht Bände. Damit geht aber für den Bürger das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik verloren und die Wirtschaft hat keine verlässlichen Rahmenbedingungen. Beides sind Entwicklungen, die eine Gemeinschaft schwer schädigen können. Aber vermutlich merken wir das erst, wenn es brennt, denn auch die Bürger haben viel zu oft eine lange Leitung.
Wobei der Vorwurf um so stärker ausfällt, je gebildeter und wohlhabender die Bürger sind, also um so eher sie sich kundig machen und ihr Verhalten ändern könnten. Auch sie kaufen SUVs (Stadt-untaugliche Vehikel), weil man da so schön hoch sitzt, lassen Geräte ständig eingeschaltet (Standby), oder benutzen Plastiktüten (nicht nur für Bellos Häufchen) und Plastikflaschen, fahren zum Einkaufen mal eben ein paar hundert Kilometer oder kaufen im Internet ein. Sie schauen sich Filme per Streaming an, weil das so schön bequem ist, aber riesige Mengen an Strom frisst. Sie werden ihrer Vorbildrolle nicht gerecht und das liegt vermutlich auch daran, dass sie unangenehme Wahrheiten so lange wie möglich verdrängen, eben ihre lange Leitung pflegen.
Die Kasse oben flog 2018 auf den Müll, weil sie den neuen Vorschriften nicht mehr entsprach und durch eine neue ersetzt werden musste.