Asoziale Nachbarn
Zweckentfremdete Garagen
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 9. Dezember 2019
 
Als Fußgänger (ohne Auto) nimmt man mehr wahr, als wenn man mit 30-50 km/h durch die Gegend führe. Auf den 250 Metern zur Bushaltestelle sind mehrere Garagen, die als Warenlager, Bastelwerkstatt, als Ersatz-Abstellraum für Keller und Bühne, als Lagerplatz für Autoteile oder Fahrradkeller dienen. Dabei gibt es in der Straße einen erheblichen Mangel an Parkplätzen, weil viele ältere Häuser höchstens eine Garage hatten und im Zuge der Automobilisierung neue Parkplätze die ehemaligen Vorgärten auffraßen. Mindestens zwei der Garagen haben automatische Tore, man müsste also nicht einmal aussteigen, um hinein zu fahren. Aber nein, lieber parkt man davor, wobei man auch noch die Garage des Nachbarn zustellt, der seine ebenfalls nicht für sein Auto nutzt.
Auch anderswo sind Garagen, hinter deren Fenstern Regale zu sehen sind, oder Einfahrten zu Garagen, die am Haus vorbei führen, dafür aber mit Blumentöpfen, Zweirädern, oder Anderem voll gestellt sind, so dass die Garage nicht benutzbar ist. Manchmal verrät auch dichter Bewuchs in der Einfahrt, dass die Garagen schon lange nicht mehr für Autos genutzt werden. Einige Garagen dienen dazu das Kaminholz oder alte Möbel trocken zu lagern.
All diese Garagenbesitzer fordern für sich Straßenraum, um parken zu können, obwohl sie eigentlich eine Garage hätten, die sie aber lieber für ihre eigenen Zwecke nutzen. Das ist kein Verhalten, das unter Nachbarn üblich sein sollte, sondern asozial. Zumal die öffentliche Hand für jeden Parkplatz am Straßenrand einen Aufwand von ungefähr 10 000 Euro im Jahr treiben muss (sauber gerechnet mit Bau, Wartung, Reinigung, Entwässerung, Streuen, Beleuchtung und Kontrolle). Das sind über 800 Euro im Monat, oder 27.- Euro am Tag! Eine Garage ist in vielen Fällen sehr viel billiger.
Aber offenbar sind immer mehr Menschen zu faul die Garage zu benutzen, egal wie groß der Mangel an Parkplätzen ist, oder ob man sogar auf dem Gehweg parkt. Dass manches „Stadt-untaugliche Vehikel” (SUV) auch zu breit oder zu hoch für die alte Garage ist, mag sein, aber das könnte man vor dem Kauf des Autos ausmessen. Anders als beim vom Laien schwer zu messenden Abgas hätte der Nutzer hier gute Chancen eventuelle falsche Angaben zu reklamieren.
Gäbe es dieses asoziale Verhalten nicht, fänden nicht nur Nachbarn, sondern alle Autofahrer vermutlich viel leichter einen Parkplatz und der Verkehr flösse wohl in mancher Straße flüssiger. Da selbst reiche Leute kindischer Weise gerne auf das Lösen eines Parkscheins verzichten und sich lieber mit der Politessen anlegen, muss man wohl davon ausgehen, dass mit Vernunft oder Rücksicht auf die Nachbarn nicht viel zu erreichen ist.
Bleiben mehrere Möglichkeiten:
Erstens: Parken auf der Straße sehr viel teurer machen.
Zweitens unangemeldete Stichproben, ob Garagen als solche genutzt werden, oder nicht. Schließlich wurden sie in vielen Fällen beim Bau vorgeschrieben. Wenn es für die Zweckentfremdung ordentliche Bußgelder gäbe, würde sich das im Laufe der Zeit herum sprechen und die Parkplatznot relativ rasch lindern. Auch Lieferwagen hätten eine bessere Chance kurz vor Einfahrten oder Garagen ohne große Behinderung anzuhalten, um Pakete oder Anderes im Haus zu liefern. Es würden also auch jene profitieren, die heute unter dem Reichtum derer, die sich alles liefern lassen, leiden.
Drittens man verlangt wie in Singapur und anderen Großstädten beim Autokauf auch den Nachweis eines Parkplatzes, der in diesen Städten häufig noch einmal den Preis des Autos erreicht, seine Anschaffung also doppelt so teuer macht. Das ist natürlich wenig sozial, weil damit die Anschaffung eines Autos für Ärmere fast unmöglich wird. Aber solange sich heute schon diejenigen, die über genügend Geld verfügen, nicht an die Spielregeln halten, wäre das eine Möglichkeit den übermäßigen Verbrauch öffentlicher Flächen durch Privatleute zu verringern.
 Eine letzte Möglichkeit könnte darin bestehen, dass man Garagen, die zweckentfremdet werden, durch Schilder kenntlich macht, damit alle Nachbarn wissen, wer den Mangel an Parkplätzen im Viertel verursacht. Der Stimmung im Viertel dürfte das allerdings nicht helfen.
 
Die Fotos zeigen durch Blumen oder Pflanzen, dass die Zufahrt zur Garage schon lange oder dauerhaft nicht mehr genutzt wurde. Eine Garage dient wohl der Klimatisierung, wie die großen Lüftungsöffnungen zeigen. Ob in einzelnen Fällen eine Genehmigung zur Zweckentfremdung vorliegt, wurde nicht geprüft. Das Ergebnis ist aber in jedem Fall, dass Stellplätze nicht für das Auto genutzt werden, sondern zu anderen Zwecken. Damit wird der Mangel an Parkplätzen auf den Straßen verschärft. Dafür meint der Garagenbesitzer ein Anrecht auf einen Parkplatz vor seiner Garage zu haben, auch, wenn diese offensichtlich nicht zum Parken des Autos benutzt werden soll. Dazu gehören auch Garagen, die so verwahrlost sind, dass man kein Auto mehr hinein stellt.
 
Wie heißt es im Grundgesetz § 14?
„Eigentum verpflichtet.
Sein Gebrauch soll allzeit dem Wohle der Allgemeinheit dienen.”
Von Eigennutz ist nicht die Rede, geschweige denn von einem Anrecht auf öffentliche Flächen.