Zwetschgendatschi
...wecken Erinnerungen
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 12. September 2019
 
Wenn der Sommer geht und die Bäume voller Zwetschgen hängen, wird es Zeit daraus Zwetschgendatschi zu machen, jene Blechkuchen, die mal so saftig sind, dass der Saft der Zwetschgen den Boden aufweicht und fast heraus läuft, mal sitzen die festen Früchte wohlgeformt auf einem trockenen Boden und sind mit gestiftelten Mandeln oder mit Butterbröseln belegt, die mit ihrem Fett den Geschmack noch verstärken. Manche mögen dann noch einen Klacks Sahne drauf und eine gute Tasse Tee oder Kaffee dazu, um die fünfte Jahreszeit so richtig zu genießen. Und mit ein wenig Glück machen einem auch keine Wespen den Kuchen streitig. Natürlich kann man auch einen runden Kuchen mit hochgewölbtem Rand mit Zwetschgen belegt backen. Aber dann sieht es leicht gierig aus, wenn man immer noch ein weiteres Stück davon möchte. Das fällt beim Blechkuchen weniger auf.
Mich erinnert der Kuchen, ja schon sein Duft, an Freuden der Kindheit, aber, wenn ich mich recht erinnere, auch an die ersten Wespenstiche am Längssee in Österreich am Kiosk des Freibades am See. Drei Stiche an einem Nachmittag, wohl, weil ich mich in der Badehose beim Bewundern der Auslagen an das Fenster lehnte, an dem auch Wespen voller Sehnsucht nach den Süssigkeiten des Kiosks herum summten. Oder an samstägliche Kaffeerunden bei meinem Freund in der Nachbarschaft, die im Sommer manchmal sogar im Garten stattfanden. Sein Vater zog mich dann häufig mit meinem Halbwissen auf, das er als Professor natürlich leicht entlarven konnte, wohl aber Spaß an meinen Erklärungsversuchen und Ausreden hatte.
Heute sehe ich die schwer behangen Bäume tief unten im Garten am steilen Hang und erinnere mich, wie ich mit ihren Früchten vor einigen Jahren mein erstes Blech mit Zwetschgendatschi selbst buk. Mangels genügend Mitessern führte das bei mir zu einer Art „Zwetschgendatschi-Diät“, weil ich den Kuchen, auf den ich doch ein wenig stolz war, nicht verkommen lassen wollte. Leider traue ich mich heute mit meinen arthritischen Knien nicht mehr zur Ernte auf den steilen Hang im Garten und sehe mit schlechtem Gewissen, dass längst nicht alle Früchte geerntet werden. Das liegt sicherlich auch daran, dass ein Teil der Hausbewohner auch schon älter ist, aber leider auch daran, dass manche kein Interesse am Garten und seinen Gaben haben. Da viele allein oder zu zweit wohnen, hätten sie vermutlich ähnliche Schwierigkeiten, wie ich, einen ganzen Kuchen aufzuessen. Aber man könnte ja auch Marmelade oder Mus aus den Früchten machen, wenn man sich das Ernten noch zutraut.
Noch schöner wäre es, wenn man, wie angeblich früher, die Früchte gemeinsam ernten und genießen würde, so dass jeder so viel davon nehmen könnte, wie es beliebt, und nichts verkommt. Im Idealfall würde man das Ganze sogar gemeinsam machen und das ganze Haus mit dem Duft der guten Sachen anfüllen und, wenn es warm genug wäre, auch gemeinsam den Kuchen vertilgen, oder stolz die Vorräte in den Keller tragen. Aber für so eine gemeinsame  Aktion hat heute niemand mehr die nötige Zeit und Muße. Manche müssten erst einmal nachschlagen, wie man das macht, weil Viele es wohl schon lange nicht mehr gemacht haben. Es wird ja immer weniger gekocht oder gebacken, was früher selbstverständlich war. Ob es den Frauen, die meist für diese Aufgaben zuständig waren, besser gefiel, als das Arbeiten in einem Beruf, wie es heute meist notwendig ist? Ob die klare Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau für Viele nicht die einfachere Lösung war, weil man sich nicht einigen musste, wer nun welche Aufgaben übernimmt? Ja, mehr Freiheit muss auch gefüllt werden und macht auch mehr Mühe.
 
Das Bild zeigt meinen Versuch aus dem Jahr 2007. War lecker.