Schon Platon forderte vor 2400 Jahren, man möge Alle ihren Fähigkeiten entsprechend so weit ausbilden, wie möglich. Seine Überlegung war, dass dann alle Menschen mit ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung den besten Beitrag zur Demokratie leisten könnten. Bildung Aller ist für Platon eine Voraussetzung zum Gelingen von Demokratie.
„Gerechtigkeit ist für mich ein marxistischer Begriff“ tönte laut ZEIT Anfang Dezember der Chef einer bekannten Versicherung und gab damit seinen Mangel an Bildung preis. Dem Armen hat wohl nie jemand Märchen vorgelesen, er ist wohl nie mit irgend einer der Weltreligionen in Berührung gekommen, sonst wüsste er, dass seine Aussage falsch ist. Aber er gehört wohl zu jenen Menschen, die nur an Zahlen glauben und sich selbst für großartig halten, weil sie es zu etwas gebracht haben. Dabei vergessen sie, dass sie ohne ihre Eltern, Vorfahren und Lehrer nie dort wären, wo sie sich jetzt befinden.
Solche Leute pflegen häufig einen Hochmut, der um so größer ist, je weniger sie von der Welt und den Menschen verstehen. Da werden dann Journalisten als „humanistische Idealisten“ beschimpft und man ist stolz darauf, dass man selbst sich nicht auf solche Gefühlsduseleien eingelassen hat, sondern nüchtern blieb und sich nur an dem orientierte, was man zählen kann, was zu mehr Geld und Macht verhilft. Menschen werden danach beurteilt, ob sie einem nützen, oder nicht. Solche Leute wundern sich, wenn man sie im Lokal an der Ecke nicht mit offenen Armen begrüßt, sondern ihnen gegenüber immer etwas zurückhaltend und vorsichtig ist.
Wer dagegen – im Rahmen seiner Fähigkeiten – sich mit den Weltreligionen beschäftigt, gar ein gläubiger Mensch ist und wer die großen Weisheitstexte liest, der wird sehr viel eher zu einem Menschen, den man gern um sich herum hat. Unter Weisheitstexten verstehe ich Texte, die Menschen über Jahrtausende hinweg für wichtig und wertvoll gehalten haben, seien das Tora, Talmud, Bibel, Koran, I Ging, Gilgamesch, Texte von Laotse und Konfuzius, oder Texte von Buddha oder anderen Weisen, die über Jahrhunderte wirksam waren und sind. Dass sie wirk(t)en zeigt, dass sie Gedanken enthalten, die für viele Menschen wichtig sind. Auch manche alten Märchen gehören zu solchen Texten, eben weil ihre lange Wirkungsgeschichte verrät, dass in ihnen etwas angesprochen wird, was für viele Menschen Bedeutung hat.
Bildung ist Zweierlei:
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★Einerseits ist es das Entfalten der Fähigkeiten eines jeden Menschen zu seinem und zum Wohle Aller.
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★Andererseits verbindet Bildung, indem man bestimmte Texte und die darin enthaltenen Vorstellungen in einer Kultur als gemeinsames Gut, als gemeinsame Werte und als verbindlich betrachtet; sie fördert also das Zusammenleben und das Wohlbefinden Aller.
Wer stolz darauf ist, dass er keine Bildung hat, oder meint sein Mangel an Bildung sei egal, der ist nicht bereit seinen Teil zum Wohle des Ganzen beizutragen. Er oder sie lässt also seine Mitmenschen im Stich und versucht nur die eigenen Interessen zu verfolgen. Das gelingt häufig auch. Warum sollte jemand, der sein ganzes Leben lang sich nur um den eigenen Vorteil kümmert, es nicht ähnlich weit bringen, wie ein Musiker, der viele Jahre lang geübt hat, um es zur Meisterschaft zu bringen? Aber was ist das für eine Meisterschaft? Während der Musiker immer auch an die Menschen denkt, für die er spielt, denn eine Meisterschaft nur um sich selbst zu beweisen, dass man ein Instrument beherrscht wäre langweilig, versucht der Ungebildete auf den eigenen Erfolg fixierte genau das: Sich zu beweisen, was für ein kluger Kopf er doch sei. Das muss man dann auch zeigen, damit andere Leute, mit eben so wenig Bildung zu ihm aufschauen, also protzt man mit Auto, Haus, Yacht, Hund oder Geliebten und merkt gar nicht, wie hohl das Ganze ist. Aber wehe sie merken es!
Normale Menschen, die scheinbar weniger erfolgreich, mächtig und reich sind, erfreuen sich dafür nicht nur an dem, was sie selbst mit ihren Fähigkeiten zuwege bringen, sondern auch daran anderen Menschen zu begegnen, mit diesen Menschen gemeinsam zustande bringen, oder wenn ihre Familie oder Freunde etwas leisten, was aus ihrer Sicht wertvoll ist. Sei es, dass sie mit anderen gemeinsam im Chor singen, sei es, dass sie ihren Garten pflegen und damit auch die Nachbarn erfreuen, sei es dass sie Liebhabereien pflegen, oder sich ehrenamtlich engagieren. Sie vermitteln ihren Kindern Geschichte und Werte, angefangen vom gemeinsamen Essen über gemeinsame Ausflüge und durch Vorlesen von Geschichten und Märchen, wie bunt und vielseitig die Welt ist und, dass man auf irgend eine Art und Weise an dieser Buntheit mitwirken kann und soll.
Das heißt nun nicht, dass jeder Reiche beschränkt sei. Es gibt durchaus Erfolgreiche, die über Jahre hinweg einen Weltkonzern leiten, die aber selbst sehr viel Wert darauf legen, sich auch außerhalb der Arbeit weiter zu bilden, etwa zu lesen, Konzerte und Theater zu besuchen oder Gemälde sammeln und auf diese Art und Weise auch Künstlern und der gemeinsamen Kultur helfen. Sehr häufig sind das aber Leute, die sich aus kleinen Verhältnissen empor gearbeitet haben und nie vergessen haben, wie es ist, wenn man abhängig beschäftigt ist, wie es ist, wenn man sparen muss, oder gekündigt wird. Diese Leute sind aber dann auch am Wohlergehen ihrer Mitarbeiter interessiert und nicht an möglichst hohen Einnahmen. Von Roboter Bosch ist der Satz überliefert: „Lieber Geld verlieren, als einen guten Ruf!“
Wie ist denn zu bewerten, wenn sich jemand eine ganz auf ihn selbst zugeschnittene Villa baut, die nach zehn Jahren, als er tot ist, niemand haben will und die dann abgerissen wird? Was wurde da an menschlicher Arbeitskraft vergeudet, ohne einen entsprechend langen Nutzen für die Allgemeinheit. Vergleicht man das mit einem Bauernhaus, das für viele Generationen gebaut wurde, oder dem Fachwerkhaus eines Handwerkers, das noch nach einigen hundert Jahren ein Zuhause bietet, dann ist die abgerissene Villa nur klägliches Imponiergehabe. Da Leute, die ihr ganzes Leben nur auf den Gelderwerb ausgerichtet haben, keine Zeit hatten sich mit Stilkunde oder Geschmack zu befassen, sehen ihre Häuser häufig dementsprechend aus. Da fällt dann öfter angesichts von Kitsch der Satz: „Das ist so schräg, das ist fast schon wieder gut!“
Auch sonst ist die Bilanz solcher Geldmenschen kläglich. Sie fahren meist große Autos, die die Umwelt mehr belasten, auch, wenn sie jeden einzelnen Wagen vielleicht nur selten fahren. Der Besitz mehrerer Fahrzeuge bedeutet auch, dass man mehr Platz als nötig und mehr Rohstoffe als nötig braucht. Sie fliegen öfter, was die Umwelt ebenfalls belastet. Sie leisten sich Zweitwohnungen, die den größten teil des Jahres nicht genutzt werden. Dass dadurch andere Menschen für die Herstellung oder Pflege von eigentlich Unnötigem Geld verdienen, ist eine Halbwahrheit, denn so sehr man sich über gelungene Bauten, Gärten und Gastlichkeit freuen kann, so wäre es für alle besser, wenn die unnötigen Bauten und die unbelebten Gärten nicht das ganze Jahr gepflegt werden müssten.
Die Villen der Reichen haben in vielen Gegenden Land besetzt, das vorher der Landwirtschaft oder der Natur diente. Selbst in Schottland haben die gut bezahlten Arbeiter von den Ölbohrplattformen vor der Küste, beim Landurlaub die Preise steigen lassen, so dass die Einheimischen das Nachsehen hatten. Wie viele Bauruinen sieht man rund ums Mittelmeer? Wie viele Fischerdörfer wurden zu Touristenhochburgen mit entsprechenden Hochhäusern? Dort hat sich so manche Familie, die den Geldmenschen nacheiferte, ein Feriendomizil gekauft und war dann enttäuscht, wenn der Reiz des Ortes durch weitere Hochhäuser ruiniert wurde, weil die an Neubausiedlungen daheim erinnerten, und sie weniger an ihrer Wohnung verdienten, als erhofft.
Warum scheitern so viele, die meinen reich werden sei ganz einfach? Erfolg haben vor allem jene, die ihr ganzes Leben in den Dienst des Gelderwerbs stellen. Das bedeutet aber, dass sie sehr einseitig leben müssen, so ähnlich, wie der Musiker, der zum Meister werden will. Damit jedoch bleibt weder Zeit noch Kraft zur Pflege jener Fähigkeiten, die sie vielleicht sonst noch hätten und die sie bei anderen Menschen beliebt machen könnten, wie beim Musiker die Musik, bei normalen Menschen deren Engagement im Ort, im Verein, in der Nachbarschaft, was dann wieder zu bereichernden und beglückenden Begegnungen führen kann und dazu, dass man in der Gemeinde gern gesehen ist.
Das gerade solche Geldmenschen über Kunst und Kultur spotten ist nicht verwunderlich, denn sie haben keinen Zugang dazu. Sie verstehen auch nichts von Gemeinschaften und von Politik. Deshalb meinen sie, das sei nur Firlefanz und die Politik habe ihnen, oder der Wirtschaft zu dienen. Das ist ihr großer Irrtum! Sie selbst, die Wirtschaft und die Politik haben dem Allgemeinwohl zu dienen. Wenn sie das nicht können oder wollen, dann stellen sie sich selbst ins Abseits und schaden dadurch der Allgemeinheit.
Bildung dient also dem Einzelnen dazu seine Fähigkeiten zu erweitern und durch das Teilen seiner eigenen Fähigkeiten mit denen anderer Menschen zum Wohle Aller glücklich zu werden.