Patiencen
Unordnung und Ordnung als Spiel
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 28. Januar 2019
 
Patiencen sind ein seltsamer Zeitvertreib, denn erst mischt man die Karten, schafft also Unordnung, um sie dann in einem mehr oder minder komplizierten Verfahren wieder zu ordnen. Je komplizierter die Regeln, desto länger dauert es und desto öfter scheitert man daran die gewünschte Ordnung wieder her zu stellen. Bei manchen Patiencen muss man ständig zählen, bei anderen ständig rechnen und bei einigen möglichst viele Spielzüge im Voraus durchdenken, damit man eine Lösung findet.
Würde man den Kartenstapel erst gar nicht mischen, sondern gleich sortieren, ginge es sehr viel einfacher und schneller. Aber gerade das ist gar nicht Sinn der Sache. Die einfacheren Gemüter wollen am Ausgang des Spiels – das sie zuweilen durch Regeländerungen an ihre persönlichen Fähigkeiten anpassen – Fragen beantwortet bekommen. Geht das Spiel auf, dann sollen sie dies oder das tun, oder lassen. Die Patience wird also als eine Art Orakel benutzt.
Klügere Köpfe benutzen die Patience, um ihr Hirn zu beschäftigen, so dass es sich nicht mit allen möglichen Sorgen oder Bedenken plagen kann, sondern mit der vergleichsweise simplen Aufgabe den Kartenstapel in eine bestimmte Ordnung zu versetzen. Der Begriff Meditation wäre eine Nummer zu groß, aber in manchen Lebenslagen kann es sehr hilfreich sein, wenn man die wild durcheinander tobenden Gedanken auf so eine ordentliche Weise zum Schweigen bringt, zumal das ständige Ordnung-machen möglicherweise eine wohltuende Wirkung hat.
In jedem Fall vertreiben Patiencen scheinbar die Zeit, obwohl sie diese in Wirklichkeit eher mit einer harmlosen Beschäftigung (wenn man sie nicht als Orakel missbraucht) anfüllen.